// 2008

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Mäzene und ihre Mätzchen

Piroschka Dossi
Hype! Kunst und Geld
dtv premium

Markt und Museum sind, was die Kunst angeht, für gewöhnlich zwei sauber geschiedene Sphären. Wie Geld und Geist. Bei Piroschka Dossi ist der Ort der Begegnung von Kunst und Geld der Hype. Hype ist der Wirbel, der um etwas gemacht wird. Dabei wird deutlich, dass hinter der großen Geste des kultivierten Sammlers und honorigen Kunstfreunds, der sein Geld mit Boulevardzeitungen oder Wasserhähnen oder irgendetwas anderem gemacht hat, unter Umständen gar nichts anderes steckt, als eben wieder nur Geld zu machen. Da werden die Aktivitäten der Mäzene nicht selten zu Mätzchen. Im Zusammenspiel der Ausstellungen (und ihrer öffentlichen Förderung), des Abdrucks im Katalog (der gut bezahlt wird) und der umfangreichen Berichterstattung wird Kunst wieder zu Geld. Dabei bilden die langen Besucherschlangen den Schweif dieses Hypes und machen Kunst zu sehr viel Geld. Mit vielen Geschichten aus Vergangenheit und Gegenwart erzählt Piroschka Dossi anschaulich und instruktiv vom Hype um Kunst und Geld.

// Bücher

Polniaden

Steffen Möller
Viva Polonia
Scherz 2008

Polen begegnen mir vor allem, außer in der tiefen Vergangenheit meiner ostpreußischen Vorfahren, auf der Autobahn. Da fahren Kamil und Karol von einem Innenausbau zum nächsten. Damit wir nun endlich mehr über unser Nachbarland erfahren, gibt es den gebürtigen Wuppertaler und Protestanten Steffen Möller, der seit vielen Jahren in Polen lebt und ein pointenreiches, witziges Buch über Polen geschrieben hat. So gut, dass es gelegentlich doch glatt in der Belletristik ausliegt.

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Das Sachbuch als Zeitraffer

Peter Wende
Das britische Empire
Beck 2008

Ich verlange von Sachbuchautoren ja nicht immer und überall die Erzählung aus eigenem Erleben. Wie sollte das bei historischen Stoffen auch möglich sein? Ich gehe allerdings auch jede Wette ein, dass Peter Wende keinen blassen Schimmer davon hat, welche Manöver dazu gehören, ein feindliches Segelschiff zu kapern.

Das britische Empire ist ein durch und nur durch die Seefahrt errichtetes Empire. Wenn er es also doch weiß, halte ich es für absolut unverzeihlich, dass er uns das nicht mitteilt. Mein Urteil: Schicken wir ihn als Fischfutter über die Planke!
Doch wir wollen gnädig sein. Es rettet ihn etwas. Er bedient eben nicht unsere szenische Detailversessenheit, sondern versucht im Gegenteil etwas ganz anderes: die Schilderung der Entwicklung des britischen Weltreichs auf gerade mal 350 Seiten. Es ist diese Art Zeitraffer, die die besondere Bedeutung des Buchs ausmacht. Denn wenn der Autor gar nicht das Ziel hatte, jedes Detail zu schildern, wie kommt er dann möglichst schnell um die nächste Ecke, an der wir bereits wieder ein paar Jahrzehnte weiter sind? Im Hintergrund von nur wenigen Sätzen dieses Buches, das glaube ich, sind unzählige Details verarbeitet; dass wir diese nicht erzählt bekommen, hat nichts damit zu tun, dass Peter Wende sie nicht doch parat haben könnte. Aber schade ist es doch!
Das Sachbuch von Peter Wende als Zeitraffer ist also auch Zeitkunst und darum dem detailversessenen Leser, wie ich einer bin, und übrigens auch dem detailversessenen Nutzer des Internets haushoch überlegen.