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Das Zeitfenster


Nichts als die Welt

Reportagen und Augenzeugenberichte aus 2500 Jahren
Herausgegeben und um die „Bibliothek des Reporters“ ergänzt von Georg Brunold.
Begleitet von 12 Photoreportagen aus dem letzten Jahrzehnt.
Galiani Berlin 2009

Dieses Buch ist ein Fest. Ein großartiges Fest für die Sinne. Dazu gleich mehr. Sein Erscheinungsjahr wird fortan zum Feiertag derjenigen, die sich um die Entwicklung einer Kultur der Sachliteratur bemühen. Wie reich diese Kultur bereits ist, kann man in diesem wunderbaren Buch nachlesen.

Georg Brunold ist der Herausgeber. Dabei ist etwas entstanden, das mit dem Begriff Reportagensammlung nur unzureichend charakterisiert ist. Es ist ein Kanon. Dass dieser fehlte, muss man erst einmal bemerken. Es fiel aber nicht auf. Warum? Bestimmt nicht aus Unachtsamkeit. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass bislang die Literatur und ihre Vertreter durch hochkulturelle Distanzierungsmittel gegenüber dem Journalismus erfolgreicher waren. Und die Journalisten selbst? Sie hatten daran offensichtlich wenig Interesse und waren mehr damit beschäftigt, ihren Seitenwechsel in die fiktionale Hochkultur zu organisieren.

Anlass dieser Sammlung ist der Werkzeugkasten in 30 Lieferungen von Georg Brunold. Dieser wurde bereits 2004 bis 2006 in der Kulturzeitschrift Du veröffentlicht. Wolfgang Hörner aber, der Verleger, wollte mehr, wollte die Sammlung. Seht her, das alles gibt es und es ist manchmal ungeheuer, manchmal schön, manchmal tief beindruckend. Das, Rückblick und Interpretation und damit Anleitung und Vorbild, das ist Kultur. Hier die der Sachliteratur.

So entstand nicht allein eine Fundgrube des Journalismus (nicht Qualitätsjournalismus), sondern zugleich eine große Schreibanleitung, die auch die Unbefangenheit des Reporters in all ihren Zügen spiegelt. Georg Brunold hat mit diesem Buch einen wichtigen und großartigen Zweig der Sachliteratur, die Reportage, dokumentiert, beleuchtet und analysiert.

So sehr all diese Texte Tagesware sein mögen, sind sie doch zugleich sperrangelweit geöffnete Zeitfenster, durch die wir sehr viel tiefer blicken können, als durch all die zusammenfassenden Kulturgeschichten. Rund die Hälfte der Reportagen stammen aus dem 20. Jahrhundert.

Die viel bemühte journalistische Anschaulichkeit, schreibt Brunold irgendwo, kranke schon am Namen, da sie nur einen Sinn, den Sehsinn, zum exklusiven Organ erhebe. Welch ein Schatz hier gehoben und prachtvoll präsentiert wird, erfährt man auch hier durch das Auge. Gleichwohl wird jeder, der dieses Buch zu Hand nimmt, mehr und mehr von seinen Händen überzeugt, dass dies eines der schönsten Bücher des Jahres ist.