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Begabung als Ideologie


Malcolm Gladwell
Überflieger
Campus 2009

Gängige Rede beim Überflieger ist die vom Aufstieg aus dem Nichts aus bescheidensten Verhältnissen.

Erfolg ist als nichts anderes vorstellbar als das was aus individueller Leistung und Begabung folgt. Alles andere hätte doch etwas, nun ja, etwas Ehrabschneidendes vielleicht. Erfolg wird nun einmal individualisiert.

Gladwell aber zeigt in seinem Buch nicht nur wie erfolgreich Menschen sind, sondern woher diese Erfolgreichen kommen. So versucht er die beeindruckenden Karrieren ungewöhnlicher Menschen, Genies, Unternehmer, Musiker daraufhin zu lesen, woher sie kommen, welchen Prägungen und Voraussetzungen sie entstammen, die diese Karriere ermöglichten.

Seine Ideen und Erkenntnisse – das ist klar – eignen sich daher nicht für Sonntagsreden. Manchmal sind es nur ein paar Zusammenhänge, eine Herkunft, ein kleiner aber wirkungsvoller Umstand, der den Erfolg strukturell erklärt.

Chris Langan, von dem Gladwell erzählt, wie er durch seine Unterschichtsozialisation an den Strukturen und Bedingungen eines auf Oberschichtkinder zugeschnittenen Bildungssystems scheitert, wird von ihm mit einer ganz anderen Biografie, einer Erfolgsbiografie konfrontiert: der von J. Robert Oppenheimer. Seine Biorafie wurde von Kai Bird und Martin Sherwin verfasst und ist nun auch auf Deutsch bei Propyläen erschienen.

In der Gegenüberstellung kann Gladwell anschaulich machen, wie zwei konträre Erziehungskonzepte, das Konzept Langan (natürliche Entwicklung) und das Konzept Oppenheimer (konzertierte Kultivierung) bei prinzipiell gleich hoher Begabung zu ganz unterschiedlichen Lebensläufen führen. Interessanterweise ist gerade die Unterschicht von den angeborenen Eigenschaften ihrer Sprösslinge überzeugt, Eigenschaften und schulische Leistungen, die dann eben auch mal nicht so gut ausfallen. In der Ober- und Mittelschicht ist der Lehrer der Schuldige!

Oppenheimer, ein Mensch der seinen Doktorvater mit Chemikalien aus dem Labor zu vergiften versuchte, darf auf Bewährung weiter studieren und wird 20 Jahre später Leiter des Manhattan Projekts zum Bau der Atombombe. Langans Mutter scheiterte schon an einem Formular und Langan selbst an den soft skills, den im Grunde absolut harten Schließmechanismen der führenden Milieus.