Papier und Bleistift, Stock und Hut

Achim Wohlgethan, der als deutscher Soldat in Afghanistan war, schrieb seine Erfahrungen in dem Buch „Endstation Kabul“ (Econ 2008) nieder. Ohne viel Hintersinn, allerdings auch vergeblich, verweist dieses Buch im Titel auf Weltliteratur.
Der Preisträger der Preisträger deutscher Literaturpreise, Martin Mosebach, wäre in Afghanistan sicherlich nicht so verwendungsfähig gewesen wie Achim Wohlgethan. Er brachte er seine Preisgelder auf Reisen in andere Länder unter die Leute. Herausgekommen ist ein wunderbares Buch der literarischen Reiseliteratur, einer Gattung des Sachbuchs, das unter dem Titel „Stadt der wilden Hunde“ bei Hanser (2008) erschienen ist und dem es gut angestanden hätte, in Anspielung auf ein anderes Meisterwerk der Reiseliteratur, den Titel „Die Stimmen von Bikaner“ zu führen. Sollen deutsche Autoren mehr hinaus in die Welt, sich den Wind um die Nase wehen lassen, statt Papier und Bleistift, Stock und Hut ergreifen?
Die Bücher von Achim Wohlhethan und Martin Mosebach zeigen jedoch, dass es nicht gleich ist, wer da auf Reisen geht. Beides Sachbücher, die lehren, dass es wie bei Büchern und Menschen überhaupt nicht egal ist, wer schreibt und wer reist. Sollen aber alle Autoren mehr verreisen? Wendet man das nun an auf Achim Wohlgethan, dessen Sprache ganz von seinen Erlebnissen geprägt ist und Martin Mosebach, dessen Erlebnisse ganz von seiner Sprache geprägt sind, dann stellt man schnell fest, die recherchieren beide nicht. Ihnen fehlt es am Vorsatz, etwas zu erleben, was sie aufschreiben können. Während Wohlgethan mitten im Weltgeschehen agiert, gleichwohl aber am Rande der Unbeholfenheit schreibt, macht Mosebach gleich zu Anfang sein Gefummel an seiner Gürtelschnalle zur gelungenen kulturphilosophischen Parabel.
Aber es gibt Sachbücher, in denen Inhalt und Form in einem wunderbar ausgeglichenen Verhältnis sind. Aber bitte nicht so, dass wir die Bücher, die uns literarisch gelungen erscheinen, zu einer irgendwie dem Sachbuch nicht zugehörigen, einer irgendwie zwischen Essay und Erzählwerk changierenden Textsorte erklären. Denn es gibt diese Bücher, die allen Kriterien der Literatur gerecht werden und die zugleich im Sachbuchregal stehen.
Das Buch, das ich hier meine, ist sehr gute Literatur. Es ist hervorragend recherchiert. Es eine ausgezeichnete Studie, in der die Beobachterin gelegentlich selbst zum Gegenstand der Studie wird, in der die Veränderungen, die ihre Umgebung mit der Zeit an ihr vornehmen, genau beschrieben werden. Es ist ein gestaltetes, wunderbar zu lesendes, hoch informatives und zugleich sehr menschliches Sachbuch. Du lieber Himmel, fast hätte ich geschrieben, ein berührendes Buch.
Es ist das Buch von Christiane Hoffmann „Hinter den Schleiern des Irans – Einblicke in ein verborgenes Land“ (Dumont 2008).