Beredtes Schneiden


Annett Groeschner, Arwed Messmer
Verlorene Wege
Verlag für moderne Kunst Nürnberg 2009

Man kann ein Buch schreiben ohne selbst zu Wort zu kommen. Wenn Annett Groeschner also den Text gemacht hat, dann so, dass sie für ihn zuständig war. Sie macht aus Gequatsche, indem sie es lässt und doch nicht allein lässt, Texte. Sie lässt Menschen zu Wort kommen, auch wenn sie Schiefes und Halbes, halb Schiefes und fast Wahres sagen. Die Erinnerung kommt zurück, ungefiltert, aber nicht ungeschützt. Und sie wird durch sie zu einer Erzählung der Arbeitsbedingungen der Wismut-Arbeiter und der Lebensbedingungen ihrer Familien in sogenannten Vollkomfortwohnungen. Diese nannte, was Gröschner im Glossar >vergessener Worte< mitteilen, Heiner Müller, der in diesem zynischen Wort, das nur vorgibt für andere zu sprechen, weil es genau von ihnen stammen könnte, gleich mitvergessen gehört, "Fickzellen mit Fernheizung". Arbeitsleben zwischen transportiert und sediert werden. Zusammen mit den Bildern von Arwed Messmer ist das eine Archäologie der Arbeit als Leben. Man kann das für sentimental halten. Aber es könnte ein Irrtum sein zu glauben, dass die Vergangenheit der DDR vergangener sei, als die der BRD. Vielleicht sind im Westen solche Beispiele kunstvollen beredten Schneidens deshalb so selten, weil man glaubt, dass diese Vergangenheit unvergangen sei. Der Busfahrer meint: „Die guten Sachen bleiben alle haften, was nicht ganz so gut war, vergisst man.“ Übrigens, im Gegensatz zu hier, steht in diesem Buch nichts in Anführungszeichen.