Das Gesicht des Krieges

Cornelius Ryan
Der letzte Kampf
Theiss 2015

Seit einigen Jahren erscheinen ältere Bücher wieder neu. Vollkommen zu Recht. Denn sie sind in den Beständen der Bibliotheken und darum auch im Bewusstsein der Zeitgenossen nicht mehr präsent.

Warum verschwinden solche Bücher aus den Bibliotheksbeständen? Ein Grund liegt gewiss darin, dass die Zyklen des Bescheidwissens sich gegen Bücher richten können, die nicht mehr aktuell und noch nicht historisch geworden sind. Dann landen sie im Altpapier. Aus Bibliotheken verschwinden sie genauso wie aus den privaten Haushalten.

Cornelius Ryans Der letzte Kampf erschien 1966 und war ein phänomenaler Erfolg. Und doch nicht so groß wie bei seinen verfilmten Büchern Der längste Tag von 1959 und Die Brücke von Arnheim von 1974.

Man kann davon überzeugt sein, dass dieses Buch, nicht zuletzt durch seinen Erfolg, aus den Bibliotheksbeständen in den 1980er Jahren ausgesondert wurde. Der Blick auf dieses Buch, sein Cover, der Blick in das Buch, sein journalistisch-populärer Schreibstil, gab ihm keine Chance für seinen Bestand in der Bibliothek. Dass die inzwischen selbst historisch gewordenen Aspekte des Buches, seine Positionierung in der „Frontstadt“ Berlin inmitten des Kalten Krieges, mögen auch ein wichtiger Grund gewesen sein.

Offensichtlich aber wird ein allzu rigides Aktualitätsverständnis bei Büchern, zugleich ein rabiat den Interessen der Gegenwart verpflichteten Aufklärungsinteresse bei Lesern, vielen Büchern zum Verhängnis. In der jetzt neu erschienenen Ausgabe von Theiss übernimmt denn auch Johannes Hürter die Aufgabe, das spezifische Schlaglicht, das Cornelisus Ryan auf den Kampf um Berlin wirft, als das der 1960er Jahre zu erläutern.

„Man wird die Vorzüge der Geschichtserzählung Ryans nicht erfassen“, schreibt Hürter, „wenn man sie als das zu lesen versucht, was sie ganz dezidiert nicht ist: eine reflektierte Studie mit wissenschaftlichem Anspruch.“ Der Themenkomplex ‚Kriegsende‘ ist in Deutschland generell Journalisten wie Hans Habe, Erich Kuby und Eugen Kogon überlassen worden. „Sein Buch ist eine historische Collage mit den Zügen eines packenden Tatsachenromans.“

Genau in diesen Aspekten des Romans liegt heute wieder ein interessanter Verfremdungsaspekt des Buches, das ihn von den wissenschaftlich abgesicherten Gesamtdarstellungen abgrenzt. Der gewohnt sachliche Blick auf die Sache, deren Tatsachen dann nur noch aufgelesen werden müssen, kommt hier nicht weiter. Der Leser stutzt. Da packt ihn etwas.