Das Spiel des Bewusstseins
Eva Baronsky
Manchmal rot
Roman
atb 2017
Das Debüt von Eva Baronsky war 2010 mit Herr Mozart wacht auf sehr erfolgreich, bis heute. Nun erscheint ihr dritter Roman von 2015 Manchmal rot als Taschenbuch. Virtuos beherrscht Eva Baronsky darin das Erzählen aus der Perspektive ihrer Protagonisten: Christian und Angelina.
Christian ist erfolgreich, ein Banker, ein Mann, dem alles gelingt. Angelina ist seine Putzfrau, die nicht lesen kann und in ihrer Freizeit viel strickt. Beide schildert Baronsky in der Welt ihrer Wahrnehmungen, ihrer Sprache und ihres Denkens, das eigentlich kaum unterschiedlicher sein kann.
Hier ist nichts aufgesetzt, sondern sauber ausgeschnitten. Beide Leben sind genau auf Kante gegeneinander gesetzt. Von seiner Putzfrau weiß Christian nur indirekt, er legt halt zweimal wöchentlich fünfzig Euro hin. Dann hat sie einen Unfall in seiner Wohnung.
Im Krankenhaus bringt Angelina sich das Lesen bei. Ihre Veränderung zeigt sich an ihren Farbwahrnehmungen, die sie mit anderen sinnlichen Eindrücken vor allem Geräuschen verbindet. Aus jedem Klang entsteht ein Farbe, aus jeder Farbe ein Ton. Aus ihrem alten Leben, das von Mandy, Pitt und ihrer Mutter dominiert wird, flieht Angelina in Christians Wohnung. Der Grund ist einfach: er hat ein Klavier.
Eva Baronsky hat mit Manchmal rot einen Roman geschrieben, der wie ein Kriminalfilm funktioniert, bei dem der Regisseur den Ehrgeiz besaß, die gesamte Handlung in einer Telefonzelle spielen zu lassen. Wie ist das eigentlich, als Mozart im heutigen Wien aufzuwachen, wie ist es, alt und pflegebedürftig zu sein, einer Frage, der ihr Roman Magnolienschlaf nachging; hier nun die Versuchsanordnung zweier intellektuell und ökonomisch absolut gegensätzlichen Menschen.
Baronsky erschafft die Innenwelten von Christian und Angelina als Gegenwelten. Und doch mit einem bedeutenden Nebeneffekt: in der Begrenzung ihres Bewusstseins erfahren wir, wie wenig Unterschied es eigentlich macht, wer hier denkt, sieht oder fühlt.
Die durchgehaltene Konsequenz ihrer zwei Perspektiven und der harte Gegenschnitt der Erzählung machen den großen Reiz dieses Romans von Eva Baronsky aus, eines Kammerspiels, das das Spiel und Leben des Bewusstseins ist.