Der Kampf der Systeme

Karsten Krampitz
Wasserstand und Tauchtiefe
Roman
Verbrecher Verlag 2014

Mark Labitzke, ein Mittvierziger, unverheiratet, übergewichtig, abgebrochenes Studium der SED-Geschichte, Programmierer und ohne Stelle, erzählt von seinem Leben. Aber er erzählt es nicht eigentlich uns, sondern seinem Vater, den er zusammen mit der polnischen Krankenschwester Agnieszka pflegt. Nach dem dritten Schlaganfall ist der Vater, Karl-Heinz Labitzke, ehemals Bürgermeister von Schehrsdorf, verstummt und muss künstlich ernährt werden.

Anschaulich schildert der Roman das Totalversagen des real existierenden Sozialismus. Nun ist der Sozialismus wie der stumme Körper des Vaters: „Kein Leib, nur noch Körper. Bist nur noch ein Zitat.“ Im Gegensystem, im Kapitalismus, scheitert der Sohn, kündigt seine Stelle im Call-Center und verlegt sich auf betrügerische Vorteilsnahme gegenüber den Behörden. Der Kampf der Systeme ist längst beendet. Das eine versinkt in Schweigen, das andere verquasselt seine Zeit in der Nische des Sozialbetrugs.

Was Schehrsdorf im Speckgürtel von Berlin, eine Stadt, wie es im Roman häufiger heißt, „die keine ist“, als Ausgleich anzubieten versucht, ist wenig. So erzählt dieser Roman von den kleinen Gemeinschaften, die die großen Risse der Gesellschaft auf ebenso unvollkommene wie rührende Art zu kitten versuchen.

Karsten Krampitz gelingt aber das Kunststück – das vor ihm vor allem Robert Walser gelang – aus all dem einen heiteren, ja nahezu komischen Roman zu fabrizieren. Der freundliche Gleichmut seines Helden steckt an und man beginnt diese Gestalten von Schehrsdorf, wo Mark mit dem Vater und Agnieszka lebt, zu mögen, den Country-Verein, die freikirchlichen „Jesus-People“, Herrn Mischnik und seinen Sophienhof, der suchtkranke Senioren betreut. Ich vermisse sie jetzt schon. Was kann man über einen Roman Besseres sagen?