Der Trend als Wille und Vorstellung – Buchmesse 2008

Der Trend ist eine Vorstellung, der wir alle mit großer Leidenschaft anhängen. Um die eiligen Leser nicht allzu sehr auf die Folter zu spannen, nenne ich gleich vorneweg als die wichtigsten Trends im Sachbuch: Gehirn, Varusschlacht, 1968, Russland, Sex, Arbeit, Evolution, 1900, Reisen, Migration, Glück. Die schon länger erscheinenden Bücher zu den Themen: Klima, Asien und Wissen/Bildung lasse ich hier schon mal weg.

Manchmal ist der Trend kaum mehr als die Beobachtung einer Häufung. Trends im Buchhandel vermitteln sich über eine Liste von Büchern, die zu einem Thema zur selben Zeit erschienen sind. Insofern ist der Trend eine Vorstellung oder genauer Ordnungsvorstellung. Diese Häufung wird gelegentlich als der Trend selbst ausgegeben. Das wäre dann eine sehr bescheidene Form eines Trends.

Etwas anspruchsvoller ist der Trend, der als nicht nur nicht zufällig, sondern als notwendige Folge von irgendetwas anderem beschrieben wird. Da wird der Trend Ausdruck oder Wille. Dabei gibt es die verschiedensten Anlässe zu solchen Trends: Jubiläen. plötzlich auftretende Problemlagen oder neue Erkenntnisse. So lassen sich die oben ungeordnet aufgetreten Trends neu sortieren und zuordnen:

Jubiläen:
Varusschlacht
Darwin/Evolution
1968

Problemlagen:
Russland
Arbeit
Migration
Sex

Erkenntnis
Gehirn
Glück

und
Reisen
1900

Eine besondere Herausforderung bildet das Kombinieren zweier Trends zu einem Megatrend. Die Sachbücher selbst nutzen diese Möglichkeit übrigens auch, so Harald Welzer, indem er das Thema Klima mit dem Thema Krieg zu Klimakriege (S. Fischer) kombiniert. Gleich eine ganze Reihe von Problemlagen, die zum Teil jeweils eigene Sachbuchtrends hervorbrachten, fasst Hendrik Müller unter dem Stichwort Die sieben Knappheiten (Campus) zusammen. Fast schon selbstverständlich generieren Trends Bücher, die sich eben diesem Trend verweigern, ihn aufzuhalten suchen. Beispiele wären hier Dieter Hattrups Darwins Zufall (Herder) und Joachim Bauers Das kooperative Gen (Hoffmann und Campe).

Seine Plausibilität aber gewinnt der Trend erst dadurch, dass er mit ganz anderen Erscheinungen des öffentlichen Lebens kombiniert wird, die wir zwar kennen, deren Zusammenhang mit neuen Sachbüchern wir aber so noch nicht gesehen haben. So werden Trends in Form einer Überrumpelung des Bewusstseins kreiert. Was daran dann aber mehr Vorstellung als Wille sei, liegt im Auge des Betrachters, denn gelegentlich wird dabei mehr erklärt als eigentlich in Frage steht. Wenn es nun einmal ein Jubiläum gibt, einen gefährlichen neuen Krisenherd, der die weltpolitische Lage verändert, oder neuerliche Erkennisse, die uns herausfordern, dann sollten diese Hintergründe eigentlich Erklärung genug sein. Ein anderer Trick der Trendbeobachter ist der, aus der Fülle möglicher Beispiele weit weniger zu nennen als möglich wäre. So ist der um Orientierung nachfragende Leser an der Plausibiltätserzeugung des nachgefragten Produkts durch Beispiele, die er selbst beisteuert, gleich mit beteiligt. Des einen Vorstellung wird so des anderen Wille.

Aber nun der Reihe nach:

Varusschlacht
Ralf-Peter Märtin, Die Varusschlacht (S. Fischer)
Dirk Husemann, Der Sturz des römischen Adlers (Campus)
Reinhard Wolters, Die Schlacht im Teutoburger Wald (C. H. Beck)

Evolution
Volker Mosbrugger, Darwin für Kinder und Erwachsene (Insel)
Frans de Waal, Primaten und Philosophen (Hanser)
Richard Dawkins, Geschichten vom Ursprung des Lebens (Ullstein)
Christopher Lloyd, Um alles in der Welt (Berlin)
Sean B. Carroll, Die Darwin DNA (S. Fischer)
Paul Davies, Der kosmische Volltreffer (Campus)
Neil Shubin, Der Fisch in uns (S. Fischer)
Chip Walter, Hand & Fuß (Campus)

1968
Wolfgang Kraushaar, Achtundsechzig (Propyläen)

Russland
Alexander Rahr, Russland gibt Gas (Hanser)
Orlando Figes, Die Flüsterer (Berlin)
Karl Schlögel, Terror und Traum (Hanser)

Arbeit
Markus Albers, Morgen komm ich später rein (Campus)
Volker Kitz, Manuel Tusch, Das Frustjobkillerbuch (Campus)
Holm Friebe, Thomas Ramge, Marke Eigenbau (Campus)

Migration
Necla Kelek, Bittersüße Heimat (Kiepenheuer & Witsch)
Betül Licht, In meiner Not rief ich die Eule (Hoffmann und Campe)
Stefan Weidner, Manual für den Kampf der Kulturen (Verlag der Weltreligionen)

Sex
Robert Muchembled, Die Verwandlung der Lust (DVA)
Volkmar Sigusch, Geschichte der Sexualwissenschaft (Campus)
Dr. Ruth Westheimer, Silver Sex (Campus)

Gehirn
Douwe Draaisma, Geist auf Abwegen (Eichborn)
Oliver Sacks, Der einarmige Pianist (Rowohlt)

Glück
Ernst Fritz-Schubert, Schulfach Glück (Herder)
Sonja Lyubomirsky, Glücklich sein (Campus)

Reisen
Rüdiger Barth, Endlich weg (Malik)
Wolfgang Büscher, Asiatische Absencen (Rowohlt)
Martin Mosebach, Stadt der wilden Hunde (Hanser)
Krtian Ditlev Jensen, Von japanischen Brotbüchsen …(Hoffmann und Campe)
Andreas Altmann, Im Land der Regenbogenschlange (Dumont)
Jason Goodwin, Von Danzig bis nach Istanbul (Malik)

1900
Christopher Clark, Wilhelm II. (DVA)
John Röhl, Wilhelm II. Der Weg in den Abgrund (C.H. Beck)
Lothar Machtan, Die Abdankung (Propyläen)
John Savage, Teenage (Campus)
Peter Gay, Die Moderne (S. Fischer)