Die drei Zugänge zur Philosophie
Richard David Precht
Wer bin ich und wenn ja, wie viele?
Eine philosophische Reise
Goldmann 2008
Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch? Diese vier elementaren Fragen hatte einst Kant aufgegriffen, um daran seine Philosophie zu messen, Precht greift nun die ersten drei davon auf, um seine populäre Einführung in die Philosophie dadurch systematisch zu gliedern. Und der Rückgriff auf diese Fragen macht gleich zu Beginn deutlich, dass dieses Buch zwar auch die Philosophiegeschichte gebührend würdigen, dabei aber nie die grundlegenden Alltagsfragen aus dem Blick verlieren wird.
Warum Precht im Untertitel die Reisemetapher bemüht – immerhin auch als Coverabbildung – bleibt auch nach der Lektüre unklar, da sie weder räumlich noch zeitlich auf den Text anwendbar ist. Weischedel dagegen benutzt in seiner Einführung in die Philosophie eine räumliche Metapher und spricht von den ‚zwei Aufgängen‘ zur Philosophie, dem akademischen Vorderaufgang und der alternativen Hintertreppe, wobei er letztere für sich beansprucht. Bei Prechts Einführung könnte man von den drei Zugängen sprechen, die mir allerdings auch in drei verschiedene Räumlichkeiten zu führen scheinen, um die Metapher weiter zu bemühen.
Die drei Räumlichkeiten bzw. ‚Philosophien‘ mit ihren jeweiligen Zugängen sind nicht die drei Gliederungsthemen, sondern erstens die historische Philosophie, hinreichend bekannt und auch in populären Einführungen nahezu ‚erschöpfend‘ dargestellt, man denke nur an Hirschberger. Die zweite ist die Alltagsphilosophie des ‚common sense‘, die gerade in letzter Zeit durch prominente Fürsprecher wie Wilhelm Schmid und Harry Frankfurt von sich reden macht. Drittens die zeitgenössische Philosophie, die in diesem Buch überwiegend anhand der Rezeption der Hirnforschung und ihrer Ergebnisse durch die Philosophie dargestellt wird.
Es gehört zu den Vorrechten eines Sachbuchs, ein solches Aufeinandertreffen dreier verschiedener Zugänge auch mit solchen Kunstgriffen wie dem eines fiktiven Gesprächs wie beispielsweise zwischen Libet und Schopenhauer zu veranschaulichen. Man mag über die Sinnhaftigkeit eines solchen Vorgehens geteilter Meinung sein; eines aber kann man ihm nicht abstreiten: es veranschaulicht nicht nur die jeweiligen Positionen im allgemeinen, sondern es zeigt auch hier im besonderen die trennenden Wände zwischen den drei Philosophien, die völlig verschiedenen Sprachen die gesprochen werden und die völlig verschiedenen Probleme, die man sich stellt. Wie viel Gemeinsamkeit besteht beispielsweise zwischen der Suche des Durchschnittsbürgers nach dem ‚Glück‘, den vielen philosophischen Definitionen des ‚Glücks‘ und der Rolle von Serotonin im Stoffwechsel des Gehirns? Allenfalls ein Bewusstsein der Unzulänglichkeit aller genannten Positionen: ‚Glück‘ als Begriff ist unhaltbar, weil es sich auf viel verschiedene Empfindungen und Zustände bezieht. Der Stoffwechsel im Hirn dagegen erklärt zwar die neurobiologische Beschaffenheit von Gefühlen, deren Auslöser aber nicht.
Einer populären Einführung kann man kaum den Vorwurf machen, sie schaffe keine Synthese der – wissenschaftstheoretisch gesprochen – inkommensurablen Paradigmen der Philosophie oder stelle die Differenzen gerade nicht deutlich genug heraus. Was man von einer solchen Einführung erwarten kann, wird hier vollauf erfüllt: sie ist spannend und gut lesbar, erfrischend unkonventionell und doch stringent aufgebaut, ihre Gegenstände wurden sicher ausgewählt. Und sie bietet den unschätzbaren Vorteil, endlich aktuelle philosophische Debatten in den populären Diskurs eingeführt zu haben.