Die junge Republik der alten Männer
Joachim Radkau
Theodor Heuss
Hanser 2013
Für Theodor Heuss gilt dasselbe was für seinen Biographen Joachim Radkau gilt, sie haben sich beide durch ein beeindruckend umfangreiches schriftstellerisches Werk im Genre des Sachbuchs eine eigene Lesergemeinde geschaffen. Nur dass Heuss schriftstellerisches Werk mit der Gründergeneration der alten Bundesrepublik untergegangen und vergessen ist. Allein die kleine Schrift Hitlers Weg von 1932 erschien in der Bibliothek verbrannter Bücher bei Olms. Überhaupt ist von dieser jungen Republik der alten Männer nicht mehr viel im kulturellen Gedächtnis. Selbst Radkau und sein Verlag halten es für unnötig, das schriftstellerische Gesamtwerk Heuss‘ aufzulisten.
Es kommt gar nicht so selten vor, dass sich Rezensenten bei den Büchern, deren Verfasser man nicht mag oder deren Gegenstand man schon immer skeptisch betrachtete, für eine Quälerei von nicht unter dreihundert Seiten mit einem gehörigen Verriss rächen. Umgekehrt, also im Falle der Nähe, droht aber auch Gefahr.
Vom Mögen und Nichtmögen mit und ohne Gründe kann vielleicht auch beim Verhaltnis Heuss-Radkau die Rede sein. Nach Technik in Deutschland, Holz, Das Zeitalter der Nervosität, Max Weber und Die Ära der Ökologie nun also die voluminöse und vom Gestus der Sympathie getragene Darstellung von Theodor Heuss. Radkau schreibt ebenso elegant wie sympathisierend über diesen Glücksfall für die junge Republik. Sympathie, die sich gerade darin beweist, dass die Fehler, wie Heuss Zustimmung zum ‚Ermächtigungsgesetz‘, und die Torheiten, wie den Versuch, eine neue Nationalhymne durchzusetzen, nicht wegerklärt oder bagatellisiert werden.
Die ganze Lebens- und Denkungsart eines Theodor Heuss verbindet sich mit einem Geschmacksmuster, das etwas opahaftes an sich hat, mit einer Vorliebe für Idyllen, die mit Behagen einverleibt werden. Die Generation der über den Bauch bis unter die Achseln hochgezogenen Hosen. Freundlich und allzu nachsichtig mit Tätern. Der Ort des Urteils ist bei Heuss und seinen Zeitgenossen nicht der Kopf, sondern das Herz. Nicht immer und überall, aber dann doch häufig genug und vor allem aus dem Blickwinkel der nachkommenden jungen Männer der alten Republik.
Hier zu einer Kurzbesprechung von Joachim Radkaus Buch Holz unter dem Titel „Stoffgeschichte“.