Die lachende Thrakerin lebt

David Edmonds und John Eidinow
Rousseaus Hund.
Zwei Philosophen, ein Streit und das Ende aller Vernunft
DVA 2009

Wer im Titel eines Buches auftaucht, ist bekannt. Nicht der Hund, Rousseau! Das wissen selbst die englischen Autoren dieses wunderbaren Buches. Es fehlt: David Hume. Der nimmt den flüchtenden Rousseau 1776 mit nach London. Allerdings nicht ahnend, dass Rousseau vollkommen erstens auf seine Haushälterin Thérèse Levasseur und, wenn diese nicht zugegen, auf seinen Hund Sultan fixiert ist.

Die Klammer, die Jean-Jacques Rousseau und David Hume auf immer – jedenfalls philosophiegeschichtlich – verbinden wird, ist nicht etwa dieses Buch, sondern ein schon in die Jahre gekommener Privatdozent in einer unbedeutenden preußischen Provinzstadt. Dieser Dozent bekannte, dass ihn einerseits der religionsfeindliche Hume aus seinem dogmatischen Schlummer gerissen habe, andererseits hatte ihm Rousseau das Paradox der Autonomie erschlossen, in dem man sich in Freiheit Regeln zu unterwerfen habe. Rousseaus Bild schmückte als einziges Portrait sein Arbeitszimmer, während er über zehn Jahre an seinem gewaltigen Hauptwerk schrieb, der „Kritik der reinen Vernunft“.

Rousseau ist also in London. Seine Lebensgefährtin, Thérèse Levasseur, seine treue Begleiterin, die ihm einige Kinder gebar, die allesamt im Waisenhaus landeten, fürchtete sich vor der Überquerung des Ärmelkanals. Da kam James Boswell, späterer Autor der wohl berühmtesten und viel gelesenen Biografie über Dr. Samuel Johnson, gerade recht. Was Rousseau aber nicht wusste, ist, dass es sich bei Boswell um einen jungen Mann handelte, der soeben emsig daran arbeitete, sich den Ruf eines Trinkers und Schürzenjägers zu erwerben, woraus man schließen muss: Er kann kein Engländer sein. Er ist Schotte.

Das ganze, als tiefe Freundschaft großer Geister beginnende Treffen endet im Zerwürfnis, mit dem nicht einmal die erotischen Lektionen, die Thérèse dem jungen Schotten gewährte, etwas zu tun hatten. So lebt dieses Buch auch von der Fallhöhe der Denker, dem lachhaften Stolpern der Vernunft über den Alltag und dem indiskreten Blick der Autoren und Leser darauf, wie sich zwei hochmögende Geister in den Niederungen des Alltags verheddern und verzanken. Mangel an Diskretion allerdings – dies als zweifelhafte Entschuldigung – die wir mit ihnen selbst und ihren Zeitgenossen teilen. Die Thrakerin, die den in eine Grube stürzenden gelehrten Sterngucker Thales einst verlachte, sie lebt noch. In uns! Und die ideale Verbindung, die Hume und Rousseau durch Kant einzugehen verstanden, hatte in der Wirklichkeit keinen Bestand.