Großstädters Liebling

Robert Seethaler
Ein ganzes Leben
Roman
Hanser Berlin 2014

Ein Autor muss schon sehr genau wissen für wen er schreibt. Der eine zeigt dem Großstädter das komplizierte Leben der Großstadt, der andere das einfache Leben auf dem Land. Seethaler hat sich fürs Land entschieden und mehr noch, er hat diese Entscheidung so überzeugend umgesetzt wie schon lange niemand mehr.

Ein ganzes Leben ist eine Erzählung und kein Roman, eine Erzählung der Wahrnehmungen eines Menschen, der kaum einmal Worte findet. Den Hinweis auf sein Hinken, als er sich um Arbeit bei einer Firma bewirbt, die Seilbahnen errichtet, pariert er mit: „Am Berg bin ich der Einzige, der gerade geht.“

Bedeutender und zugleich wirkungsvoller sind die Beschreibungen der Welt des Wanderarbeiters Andreas Eggers in Gerüchen und Geräuschen. In all dem ist Seethaler wunderbar genau und dabei überaus einfach: „Bis spät in die Abende hinein waren überall im Dorf das metallische Klicken der Skibindungen und das Knarren der Skischuhe zu hören.“

Darin eine gewisse antimoderne Sentimentalität zu sehen oder sie dem jetzt schon erfolgreichen Buch zu unterstellen, ist verlockend, kann aber kaum aus ihm belegt werden, denn Seethaler macht nirgends Stimmung. Dass der nervöse Großstädter dieses ruhige Buch lieb gewonnen hat, darf man dem Buch nicht zum Vorwurf machen!

Das entbehrungsreiche und einfache Leben des Andeas Eggers vom Anfang des Jahrhunderts bis zu seinem Ende in den 1970er Jahren aufzuschreiben, gelingt Seethaler stimmungsvoll und fern unreinlicher Sentimentalität. Das verdankt sich seiner Konzentration. Einer Konzentration, die fern von Stilisierung ist und doch alles Wesentliche aufführt.