Journasophie – Philosophie im Alltag

Martin Burckhardt
Eine kleine Geschichte der großen Gedanken. Wie die Philosophie unsere Welt erfand
DuMont 2008

Sven Ortoli/Michael Eltchaninoff
Philosoufflé. Ein geistreiches Spiel mit der Philosophie
Piper 2008

Diesen Herbst sind wieder zwei Sachbücher erschienen, die versuchen, die Philosophie auf den Alltag zu beziehen. Das eine versucht zu zeigen, wie bestimmte Meinungen philosophischen Hintergrunds unser Alltagsleben prägen, das andere versucht, die Philosophie als Mittel zum geistreich scheinenden Tischgespräch nutzbar zu machen. Zwei Zugänge – derselbe beabsichtigte Effekt. Nebenbei gesagt war es philosophischen Sachbüchern immer ein Anliegen, Philosophie als alltagstauglich darzustellen, was nicht zuletzt darin seinen Grund haben dürfte, dass die Buchkäufer selten unter den professionellen Philosophen zu finden sein dürften.

Die „kleine Geschichte der großen Gedanken“ formuliert gleich zu Beginn einen recht ehrgeizigen Anspruch, indem sie ankündigt, ebenso nützlich und wünschenswert sein zu wollen, wie Parfum, Navigationssysteme oder Verführungsratgeber. Nicht dass wir dem Autor und seinem Verleger ähnliche Umsatzzahlen nicht gönnen würden, wie sie in der Kosmetik- oder Unterhaltungselektronikbranche üblich sind: allein die Einhaltung dieses Versprechens dürfte ziemlich schwierig werden.

Wollte man den advocatus diaboli geben, könnte man sagen: der beste Beweis dafür, dass das uns hier näher zu bringende Wissen eben nicht nützlich ist, ist der, dass derart viele Menschen sehr gut ohne dieses Wissen leben. Denn um nach den Ursprüngen unserer Konventionen und Denkweisen zu forschen, müssen diese in welcher Form auch immer als problematisch empfunden werden. Deshalb liegt die Funktion dieses Bandes einzig und allein darin, das Interesse derjenigen Leser in der Buchhandlung zu wecken, bei denen die hier zu vermittelnden Kenntnisse nicht vorausgesetzt werden können, die sich dieser Bildungslücke beim Betreten der Buchhandlung aber auch nicht unbedingt bewusst sein müssen. Dem scheint das Lektorat insofern Rechnung getragen zu haben, als es auf die Gestaltung des Buches besonderen Wert gelegt hat: erstens mit Zeichnungen, und zweitens mit einem Zeitmesser unterhalb des Satzspiegels. Indem man sich so an einer Buchgestaltung orientiert, die eher bei Kinder- und Jugendbüchern üblich ist, versucht man wohl die Hemmschwelle zum Sachbuch abzubauen.

Leider haben sich bei diesem Band handfeste sachliche Fehler eingeschlichen, wie beispielsweise die Behauptung, Aristoteles habe das Wort „Sophist“ zum Schimpfwort gemacht. Tatsächlich war es Platon, der einige Zeit zuvor gegen die Sophisten polemisierte und versuchte, sie mit deren eigenen Mitteln der Lächerlichkeit preiszugeben. Aristoteles dagegen setzte sich mit deren Argumentationsweise auseinander, die er nicht durchweg verwarf.

„Philosoufflée“ beschreibt ein fiktives Diner bei dem neben den nebensächlichen Speisen die hauptsächlichen Profilneurosen der Gäste und Gastgeber serviert werden, die sich in diesem Fall mit Hilfe der Philosophie Geltung zu verschaffen versuchen. Die Autoren skizzieren und beschreiben diese Typengestalten und ihr pseudophilosophisches Geplauder und versuchen nicht nur dem Leser nebenbei zu erklären, wie es sich „wirklich“ verhält, sondern sie beschreiben auch, wie man sich mit Hilfe von Philosophie blamieren oder profilieren kann.

Beim Lesen des Buchs drängen sich zwei Fragen auf. Erstens: an wen ist das Buch gerichtet? Und zweitens: wer soll es anwenden? Professionelle Philosophen dürften das Buch eher albern finden und bestenfalls die hier und da durchblitzende Selbstironie als mildernden Umstand gelten lassen. Anwenden würden sie es selbstverständlich nie. Philosophisch völlig Ungebildete werden nicht nur die Pointen nicht verstehen, sondern auch das Buch als solches als überflüssig betrachten. Das Essen schmeckt auch ohne Philosophie. Bleiben die Halbgebildeten; das sind denn auch diejenigen die erstens das Buch witzig finden werden und sich zweitens dazu veranlasst sehen dürften, die Witze gleich beim nächstbesten Anlass auszuprobieren. Wünschen wir Ihnen, dass kein Philosoph und/oder kein Leser von Philosoufflée mit am Tisch sitzt.

Sollte also doch beim nächsten Tischgespräch das Thema die Philosophie streifen, und beispielsweise jemand Ontologie, Carl Schmitt oder Derrida erwähnen, können Sie lässig in die Runde werfen: Ach, gibts endlich Philosoufflée?

Man kann das Buch denn auch in einer Zeit von Anfang bis Ende lesen, die in etwa der eines mittleren Diners entspricht; und dafür, dass es sich um Ragout handelt, liegt es erstaunlich leicht im Magen. Man bekommt im Gegenteil eher das Gefühl, endlich wieder Gehaltvolleres essen zu müssen.