Sag beim Abdruck leise Danke – warum sich Autoren nicht überall bedanken müssen

Mein erster Danke gilt meiner Frau. (sic)
Bernhard Bueb

Kürzlich hörte ich von einem Streit zwischen einem Autor und seinem Agenten. Letzterer wollte sich unbedingt in der Danksagung erwähnt wissen. So als wäre es selbstverständlich, dass wenn ein Buch nicht nur geschrieben, sondern auch gedruckt würde, damit schon klar wäre, dass der Autor sich zu bedanken habe. Und zwar zunächst beim Agenten.

Dieser Agent hat richtig beobachtet, dass inzwischen immer weniger Bücher erscheinen, in denen nicht ausführlich und lückenlos gedankt würde. Zweifellos aber wird nicht nur der vom Schreibprozess aufgeriebenen Familie gedankt, den inzwischen getrennt lebenden Partnern, den Eltern, die für das Buch ohnehin keinerlei Verständnis aufbringen, und den inzwischen vollkommen verwahrlosten Kindern, sondern auch den Agenten, die die ruinöse Idee zum Buch hatten. Man stelle sich aber einmal vor, Thomas Mann, der Peter Voss der Weltliteratur, hätte sich genötigt gefühlt, sich zu bedanken. Und wäre dies auch nur für einen seiner Romane geschehen, der Schaden für die Deutungen produzierende Germanistik wäre gar nicht abzusehen.

Ein Blumenstrauß reicht

Der wichtigste Grund, der einer zu ausführlichen Danksagung widerspricht, ist die Idee der Autorschaft. Beginnt eine Danksagung schon beim Agenten, der die Idee zum Buch hatte und im Autor sein dankbares Opfer gefunden hat, dann endet sie zumeist auch mit dem Lektor, der das vollkommen unbrauchbare und ausufernde Manuskript neu geschrieben und auf schlanke einhundertsechzig Seiten gebracht hat. Es muss doch nicht jeder wissen, dass zwischen der ersten Idee und dem fertigen Buch ein Autor als saure Gurke in der Sandwichsituation steckte! Ich finde es dagegen für Autoren angemessener, den Agenten einen Blumenstrauß im Wert von ca. zwanzig Euro zu überreichen und den Lektoren einen Dankesbrief nicht unter drei Seiten mit der Hand zu schreiben. Ein Telefonat und eine E-Mail sind sicherlich nicht ausreichend, auch nicht, wenn man sich telefonisch bedankt und dann zusätzlich eine E-Mail schickt.

Danksagungen beeinflussen mein Leseverhalten sehr, denn ich lese alle Bücher von hinten nach vorn, wo ich gleich auf diesen unseligsten aller Paratexte stoße, oder ich lese etwas vom Ende, was aus der Mitte und dann den Anfang, oder nur die rechte Seite (immer die ungerade) oder ich lese das Buch einfach mal ganz. Oder ich lese das Buch im schlimmsten Fall gar nicht, und zwar genau dann, wenn schon die Danksagung langweilig ist, wenn offensichtlich keiner beleidigt sein muss, weil er etwa vergessen wurde. Ich finde, es darf ruhig mehr Beleidigte geben als nur die Agenten.

Eine kurze Statistik der Länge der Danksagungen

Sehr knapp in der Danksagung ist ausgerechnet:
Diez, Der Tod meiner Mutter, Kiepenheuer & Witsch

Eine Seite benötigen:
Bingül, Kein Vaterland nirgends, Droemer
Friedrichs, Müller, Baumholt, Deutschland dritter Klasse, Hoffmann und Campe
Bueb, Von der Pflicht zu führen, Ullstein

Auf zwei Seiten kommen:
Möller, Traumfang, Ullstein
Wölk, Sternenklar, Dumont
Friedrichs, Gestatten: Elite, Hoffmann und Campe

Nicht unter drei Seiten benötigt:
Klein, Da Vincis Vermächtnis, S. Fischer

Rekordverdächtig sind vier Seiten bei:
Ferguson, Der Aufstieg des Geldes, Econ

An der Spitze aber liegt mit fünf Seiten:
Thornton, Sieben Tage in der Kunstwelt, S. Fischer

Absolut undankbar sind laut der spontanen Erhebung:
Lachmann, Von Not nach Elend, Piper
Minkmar, Mit dem Kopf durch die Welt, S. Fischer
Chauvistré, Wir Gutkrieger, Campus
Fournier, Wo fahren wir hin, Papa, dtv
Onfray, Wir brauchen keinen Gott, Piper

Wieder einmal ist damit innerhalb der Sachbuchforschung ein Desiderat entdeckt. Von Dersideraten ist immer dann die Rede, wenn der Verfasser der Meinung ist, dass es nichts bringt, der Sache selbst auf den Grund zu gehen. Im Anschluss an obige recht knappe empirische Untersuchung, lassen sich vielleicht drei Schlussfolgerungen formulieren, wenn auch nicht in jedem Fall verteidigen:

1. Deutsche Autoren bedanken sich als Neulinge fast ebenso häufig, aber nicht so umfangreich wie der etablierte angloamerikanische Autor.
2. Der Umfang der Danksagung wird bei deutschen Autoren mit jedem Buch, das erscheint, halbiert. Zum Beispiel Friedrichs von zwei Seiten auf eine Seite.
3. Bei angloamerikanischen Autoren scheint die Danksagung mit jedem Buch umfangreicher zu werden. Zum Beispiel bei Ferguson und Thornton.
4. Franzosen bedanken sich gar nicht. Zum Beispiel Fournier und Onfray.

Nicht mitbedacht sind versteckte Danksagungen. Jürgen Osterhammel zum Beispiel versteckt die seine im Nachwort. Er widmet sein grandioses Buch Die Verwandlung der Welt dem Sohn. Im Nachwort kommt er darauf zurück und schreibt: „Ein freundschaftlicher Dank gebührt Jens Malte Fischer für Belehrung und Unterhaltung während meiner Münchner Zeit, Hörsaal E 2, mittwochs 16 bis 18 Uhr. Meine Familie hat das Ende der Arbeit (un)geduldig erwartet. Das werdende Buch hat Philipp während seiner ersten sechs Schuljahre begleitet. Er hat von Anfang an darauf bestanden, dass es sein Buch sein sollte. Und niemandem schulde ich mehr als Sabine Dabringhaus.“

Bitte Danke – eine neue Rubrik im Börsenblatt

Man kann nicht alle neuen Bücher auf solch elegante Weise wie bei Osterhammel durch Verschiebung ins Nachwort von der Danksagung entlasten. So wie sich die Verlage aber nicht untereinander Briefe schreiben, in denen sie sich mitteilen, für welchen Titel sie Titelschutz beanspruchen, sondern dergleichen im Börsenblatt kundtun, könnte dort eine neue Rubrik, nämlich die Neuen Danksagungen eingerichtet werden. Hier können Autoren jedem und allen nach Herzenslust danken. Dergleichen würde dann auch die beruflich Beleidigten und privat Übergangenen schnell dahin bringen, weil vergessen, sofort beleidigt zu sein, sich sofort übergangen zu fühlen. Umgekehrt wäre auch denkbar, im Börsenblatt zukünftig die Rubrik Bitte Danke einzurichten, in der sich diejenigen aufführen lassen können, die sich für ihre Idee, ihre Geduld oder irgendetwas anderes in einem zu veröffentlichenden Buch danken lassen wollen.

Die sinnfälligste einseitige Danksagung findet sich in Christoph Biermanns Die Fußball-Matrix, bei Kiepenheuer & Witsch erschienen. Wie in einer Mannschaftsaufstellung erscheinen die, denen gedankt wird, zweireihig untereinander aufgereiht.