Literarische Sachbücher

Formen – Funktionen – Praktiken

Organisation: Christian Meierhofer (Karlsruhe/Bonn), Gunther Nickel (Darmstadt), Michael Schikowski (Köln)

Workshop von Non Fiktion in Verbindung mit dem Deutschen Literaturfonds
Bonn, 14. und 15. September 2023

// Sachbuchforschung

Literaturbetriebsforschung

Das große Versprechen der Geisteswissenschaften lautete einmal mutabor, ich werde verwandelt werden. Dieser fromme Glaube an die Macht der Verwandlung durch die Bücher scheint allerdings langsam verloren zu gehen.

Daneben wird der banale Kostendruck auf die Nebenbetriebsstellen der Wissensgesellschaft in letzter Zeit besonders plausibel. So sind es sogar die Studenten der Geisteswissenschaften selbst, die verstärkt nach objektiven Verwertungsmöglichkeiten ihres akkumulierten Wissens fragen. Eine bloß subjektive Verwertung eines geisteswissenschaftlichen Studiums, an deren Ende die Verwandlung stehen sollte, scheint den Studenten selbst kein nachvollziehbares oder glaubwürdiges Ziel mehr.

Im Sommersemester 2009 wird unter der Ägide von Prof. Burkhardt Krause am Studienzentrum Kulturarbeit (SZK) der Universität Karlsruhe (TH) das Seminar Einführung in den Literaturbetrieb statt finden. Gegenstand einer Literaturbetriebsforschung sind die Darstellungs- und Verwertungsplattformen der Literatur, zu denen Buchhandels-, Verlagswesen, Literaturvereine, literarische Agenturen und die Literaturkritik zählen. Sie alle versuchen dem ästhetischen und kulturellen Anspruch ihres Gegenstandes gerecht zu werden und ihn zugleich zu verwerten. » weiter lesen

Autoren der Sachen an sich

Über Sach- und Fachbuchkritik veröffentlicht Felix Struening eine Analyse zur Verbreitung und Struktur. Man bekommt darin eine Theorie der Sachliteratur und dazu noch eine Theorie der Literaturkritik geliefert, die dann in einem dritten Teil empirisch an Hand der Rezensionen von FAZ, NZZ und ZEIT etc. überprüft werden. Sachbücher können da nicht auch noch erwartet werden, mit den üblichen Verdächtigen wie C. W. Ceram und Stefan Klein als Ausnahmen. Die Ergebisse, die Strüning hier im Rahmen dieser Arbeit vorlegt, sind hochinteressant. Interessant und aufschlussreich ist aber auch der Rahmen, innerhalb dessen sich die Arbeit liest.

Rillenabhängigkeit im akademischen Tross

Die ewig gleiche Spur und Rille, auf der Sachbücher in Deutschland geführt werden, da ist sich der akademische Tross mit dem publizistischen Feuilleton offenbar einig, wird auch hier nur noch einmal vertieft. Diese Rille heißt Inhalt statt Form, Faktum statt Funktion, Fundiertheit statt Fun, heißt Unterhalt statt Unterhaltung, heißt schließlich Sturheit statt Stil. Diese Rillenabhängigkeit findet sich dann begreiflicherweise auch bei Struening. Eingeklemmt zwischen akademischen Anforderungen im Sachbuch zu suchen und dann auch nach Maßgabe des Feuilletons vorzufinden, was diese Rille hergibt, bleibt er hier auf Spur. Fatal immerhin, dass die Selbstaussagen der Autoren zum Sachbuch, die der Autor alle bringt, nicht weniger fragwürdig sind.

Autoren, Rezensenten und Beobachter auf Spur

In seiner Auswertung schreibt Strüning: „Die Ergebnisse der Untersuchung zur Mehrfach-Erfüllung der Kriterien zeigten einen starken Fokus auf Inhalt und Kontext der besprochenen Bücher. Dies kann als Hinweis auf die hohe Wichtigkeit der Sache an sich (im Gegensatz zum Stil) gewertet werden.“ (S. 119) Die Gefahr, die ich darin erblicke, ist folgende: Man stelle sich vor, auch unsere deutschen Autoren von Sachbüchern haben einen solchen starken Fokus auf den Inhalt? Und sie haben ihn! Und so schreiben sie manchmal auch. Autoren spuren da nicht weniger als ihre Rezensenten und die Beobachter von Autoren und Rezensenten.

Stilkritik außer Sichtweite

Strüning ist daher schon fast gezwungen den oben zitierten Satz mit der Fußnote zu kommentieren: „Ob stilistische Merkmale in der Literaturkritik eine größere Rolle spielen, wäre an anderer Stelle zu untersuchen.“ Ja, leider, bei der Literaturkritik der Sachbücher und in einer Analyse zu ihrer Verbreitung und Struktur, wie sie Strüning vorlegt, ist Stilkritik, ist Kritik der Machart weit außer Sichtweite. Woran das liegt? Na, man kommt in Wahrheit gar nicht auf den Gedanken, hier Literatur vor sich zu haben. Denkbar ist also, dass eine solche Untersuchung ohne Ergebnis bliebe, eine solche Magisterarbeit also gar nicht geschrieben werden könnte. Da hat sich Felix Strüning, was unbedingt für ihn spricht, zweifellos richtig entschieden.

Auf seinem Rezensionsblog www.BuchTest.com kann er das ja dann in Zukunft auszugleichen suchen.

Hier der Link zur Magisterarbeit von Felix Strüning, die bei Erhard Schütz im Rahmen des Forschungsprojektes zum Sachbuch in Berlin enstanden ist. Sie wurde im Verlag LiteraturWissenschaft von Thomas Anz als Online-Publikation veröffentlicht: http://www.literaturwissenschaft.de/content_onlineStruening_Sachbuchkritik.php

Erzählen


22 Arten, eine Welt zu schaffen. Erzählen als Universalkompetenz. Herausgegeben von Alf Mentzer und Ulrich Sonnenschein. Fischer Taschenbuch 2008

Unter dem Gesichtpunkt der Erzählung, das zeigt dieser Band aus dem Funkkolleg des Hessischen Rundfunks, werden plötzlich auch die anderen Gattungen und Formen sichtbar, in denen erzählt wird. Dabei werden Reiseberichte, politische Sachbücher, Bücher über Religion, psychologische Ratgeber, ja sogar das Erzählen in der Wissenschaft genannt und erläutert. Ein wunderbares Einführungsbuch für alle, die sich mit dem Sachbuch beschäftigen wollen.