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Die Unangestellten

Markus Albers
Meconomy
Wie wir in Zukunft leben und arbeiten werden –
und warum wir uns jetzt neu erfinden müssen
www.markusalbers.com 2009
E-Book, € 9,99
Bestellbar über http://www.meconomy.me/shop

Im Altertum galt Arbeit als Schande, im Mittelalter verknüpfte sich Arbeit erstmals mit dem Wissen, wurde Handwerk und organisierte sich in Zünften. Wer was wissen wollte, zahlte Lehrgeld. Irgendwann im Laufe des 19. Jahrhundert kehrte sich das Verhältnnis um. Die Industrialisierung benötigte gut ausgebildete Facharbeiter, aus Stadtschulen wurden Berufsschulen und das Lehrgeld floss nun in umgekehrte Richtung. Das industrielle Interesse wurde ein gesellschaftliches Interesse. In dieser Zeit entstand die Sozialfigur des Angestellten. Bei Robert Walser, neben Hermann Hesse, Autor von sogenannten Angestelltenromanen, hört sich das dann so an:

„Eines Morgens trat ein junger, knabenhafter Mann bei einem Buchhändler ein und bat, dass man ihn dem Prinzipal vorstellen möge. Man tat was er wünschte. Der Buchhändler, ein alter Mann von sehr ehrwürdigem Aussehen, sah den etwas schüchtern vor ihm Stehenden scharf an und forderte ihn auf, zu sprechen. ‚Ich will Buchhändler werden‘, sagte der jugendliche Anfänger. ‚Ich habe Sehnsucht danach und ich weiß nicht, was mich davon abhalten könnte, mein Vorhaben ins Werk zu setzen.'“

So oder so ähnlich mag auch heute noch die eine oder andere wacker vorgetragene Initiativbewerbung vor sich gehen. Das Angestelltendasein aber ist derart in Verruf geraten, dass wer danach strebt, sich fast schon verdächtig macht und seiner unwürdig erscheint. Wer über den Deutschunterricht sozialisiert wurde, liebt darum das gemeine Bonmot von Gottfried Benn: „Dumm sein und Arbeit haben: Das ist das Glück“.

Die Bücher von Markus Albers und seiner Community verraten vielleicht auch etwas über den Jahrgang. Die Verbindung von Hilflosigkeit angesichts der objektiven Entwicklung des Arbeitsmarktes und der angestrengten Umdeutung der Verhältnisse in bloß subjektive Antriebsschwäche ist so neu nicht. Daher passt Gottfried Benns vielzitierte Niederträchtigkeit aus den absoluten Spitzenzeiten der Arbeitslosigkeit ausgezeichnet hierher. Woran es ihm fehlte wie auch den neuen Verächtern des Angestellten ist politische Kultur. Die Veränderungen des Arbeitsmarktes, die im übrigen absolut unstrittig sind, werden von Albers wie ein Wetterumschwung gehandhabt, bei dem nichts weiter zu bemerken ist, als dass er für verzärtelte Angestellte äußerst ungünstig sei, wasserdichten Typen aber kaum etwas anhaben könne. Dass diese Enwicklung interessierte Marktteilnehmer hätte, kommt hier nicht nur nicht in den blauäugig-unpolitischen Blick, sondern sie erscheint so abwegig, dass sie nicht einmal mehr zurückgewiesen werden müsste.

Der Angestellte wird als eine Institution gesehen, die wie alle Institutionen, allen voran die Politik, besonders verwerflich ist, da sie als Begrenzung vorgeblich unendlicher Möglichkeiten aufgefasst wird. Die absolut ahistorische Darstellung der Arbeits- und Lebensverhältnisse der Gegenwart bei Albers ergibt sich notwendigerweise aus den apolitischen Affekten der Community. Im Kern findet hier eine Umdeutung des trivialen Einstellungsstopps und Beförderungsstaus der Institutionen statt. Mehr Schönreden ist kaum mehr denkbar. Allerdings, auch bei Albers findet sich der Hinweis, dass das nicht alle schaffen können, dass viele zurückbleiben. Was aus denen werden soll, bleibt offen. Doch wird die ethische und ökologische Verantwortung in der Community ja besonders groß geschrieben.

„Die Selbstverwirklichung der Meconomy kann heute kein autistischer Ego-Trip mehr sein. Wer nur an sich denkt, kann keinen Erfolg haben“, schreibt Markus Albers. Da also Erfolg immer nur noch ethisch sein kann, muss man sich über die Motive der Marktteilnehmer gar keine Gedanken mehr machen. Für eine kritische Selbstwahrnehmung der Community ist kein Platz, daher werden diese Strategien der Selbstimmunisierung auch nicht erkannt.

In Markus Albers, neben Holm Friebe und Thomas Ramge, kann man die Autoren des Unangestelltenromans sehen. Und man kann gespannt sein, wie sich dieser in den nächsten Jahren liest. Die Prognose liegt nahe, dass dann die Wahrnehmung der Dauerkrise der Realwirtschaft die leicht geschriebene Umdeutung in unendliche Chancen erschwert und zu schärferen Analysen führt. Vielleicht wird dann auch die verwendete Literatur über Trendnachrichten aus Zeitschriften hinauskommen und der Text Beschreibungebenen erreichen, die sich an Texten von Georg Simmel und Karl Mannheim messen lassen.

Zum Blog von Markus Albers: http://www.markusalbers.com/

Zu einer Zwischenbilanz von Markus Albers zum Verkauf dieses Buches und weiteren Rezensionen: http://www.markusalbers.com/blog/eine-woche-meconomy-erstes-zwischenfazit-und-ein-paar-zahlen/

Zu einem weiteren Beitrag zur digitalen Bohème: https://www.immer-schoen-sachlich.de/lest-stadtplane/