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Die Maßnahme

Dieter Haselbach, Arnim Klein,
Pius Knüsel, Stephan Opitz

Der Kulturinfarkt
Von allem zu viel und überall das Gleiche
Knaus 2012

Wer sich der Kultur widmet, scheint aller kritischen Rückfragen enthoben. Selbst im Verriss, ja noch im Totalverriss, bleiben die Prinzipien der Kultur unangetastet. Wer aber in der Kulturpolitik die bloßen Beutelschneider, die Wichtigtuer und Blender von denen zu scheiden versucht, die sich dem Wahren, Guten und Schönen widmen, beißt sich die Zähne aus. Die Autoren des Kulturinfarkt unterliegen also dem erwartbaren analogen shitstorm der kulturellen Community, die gut sozialpädagogisch auszurufen scheint: „Wir lassen keinen zurück!“.

Die Kulturvermittlungsformate der alten und neuen Medien leben vom Nachschub der Kulturprodukte, die die Formate vermitteln. Das ist so und bleibt so bis der Nachschub ausbleibt, die sozialen Praxens wie Theaterbesuch einschlafen, der Mangel an Qualität für die Abnehmer unübersehbar geworden ist und die Vermittelungsformate nach und nach aus Mangel an Interesse abgeschaltet werden. Dass die Institute, Rollen und Praxen nun staatlich alimentiert werden, weiß man diffus, hätte man nur gern genauer erfahren.

Das heißt: Allzu viele Kulturleichen leben noch. Das Bild vom Kulturinfarkt ist also falsch. Hinsichtlich der Kulturvermittler sieht es eher nach einer Maßnahme aus, die Leute irgendwie zu beschäftigen und so vom Arbeitsmarkt, auf dem sie aufgrund ihrer Sozialformatierung in Amt und Würden ohnehin Schwierigkeiten zu bestehen haben, fern zu halten. Und weil das insgeheim so überaus deutlich von den Betroffenen gefühlt wird, sind die Verrisse dieses Buchs so verbiestert.

Für eine sachliche Rezeption, die dem Buch zu wünschen gewesen wäre, hätten die Autoren viel mehr schweres und kaltes Blut beweisen müssen: Konzentration auf Zahlen und Fakten. Da in ihren Adern aber das nährstofflose heiße Wasser des Feuilletons fließt, kommt nichts raus als Dampf und Blasen. In eigener Sache muss noch hinzugefügt werden, dass Sätze wie: „Die Preise der Bücher bleiben durch die Preisbindung hoch“, von grauslicher Ahnungslosigkeit zeugen.

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Die besten deutschsprachigen Sachbücher des Jahres 2008

Ralf-Peter Märtin, Die Varus-Schlacht (S. Fischer)

in der Kategorie erzählendes Sachbuch, Geschichte

Erstaunlich, was Märtin aus einigen rostigen Kupfermünzen, die irgendwo südlich von Osnabrück im Jahre 9 im Schlachtgetümmel verloren gegangen sind, macht.

Markus Bennemann, Im Fadenkreuz des Schützenfischs (Eichborn)

in der Kategorie erzählendes Sachbuch, Naturwissenschaft

Ein Buch, das in allen Teilen gut unterhält, weil es gut erzählt ist. Nebenbei: ein großartiges Buch über Tiere, das Markus Bennemann da gelungen ist.

Henrik Müller, Die sieben Knappheiten (Campus)

in der Kategorie erzählendes Sachbuch, Zeitgeschichte

Die Grundidee des Buches, unsere Gegenwart einmal nicht nach den politischen Blöcken aufzuteilen und ebenso wenig im Strudel der Globalisierung alles gleichgültig werden zu lassen, sondern nach der Liste der knappen Ressourcen darzustellen, ist bestechend und ersetzt zahlreiche Einzelveröffentlichungen.

Maja Nielsen: Jane Goodall und Dian Fossey (Gerstenberg)

in der Kategorie Jugendsachbuch

Ein wunderbares Sachbuch über Jane Godall und Dian Fossey von Maja Nielsen. Nicht nur, aber ideal für Mädchen.


Christiane Hoffmann, Hinter den Schleiern Irans (Dumont)

in der Kategorie Reportage

Klar, wahr und schön erzählt Christiane Hoffmann in ihrem Buch, jenseits der zahllosen Debattenbücher, die viele Meinungen aber keine Anschauungen enthalten.

Julia Friedrichs, Gestatten Elite (Hoffmann und Campe)

in der Kategorie Thesenbuch

Bildungs- und Elitendiskussion in gut geschriebenen Reportagen von Julia Friedrichs geschickt zusammengeführt.


Reiner Stach, Kafka. Die Jahre der Erkenntnis (S. Fischer)

in der Kategorie Biografie

Auch im zweiten Band seiner auf drei Bänden angelegten Biografie ist bei Reiner Stach das Material glänzend in Literatur aufgegangen.


Martin Mosebach, Stadt der wilden Hunde (Hanser)

in der Kategorie Reisebuch

Nirgends lässt sich gemächlicher Konservativismus besser genießen als in Mosebachs Reisebuch, ein Genre, das sich sonst so gern schnell gibt.

Alex Capus, Himmelsstürmer. Zwölf Portraits (Knaus)

in der Kategorie kurze Prosa

Nicht der besondere Stoff macht dieses Buch aus, sondern die Sprache. Und die macht dann was daraus. So wie bei Alex Capus sollte es immer sein.

Kathrin Passig, Sascha Lobo: Dinge geregelt kriegen ohne einen Funken Selbstdisziplin (Rowohlt)

in der Kategorie Ratgeber

Der Ratgeber, der arme Hund des Sachbuchs, wird hier von der Literatur rechts überholt.

Jury: Michael Schikowski

Zu den besten deutschsprachigen Sachbüchern des Jahres 2014, des Jahres 2013, des Jahres 2012, des Jahres 2011, des Jahres 2010, des Jahres 2009 .

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Die Vollendeten gegen die Kleckser


Ross King
Zum Frühstück ins Freie
Knaus 2007

Man sollte immer aufhorchen, wenn in der Kunst irgendeine empörende Taktlosigkeit begangen wird. Es kann ja natürlich auch eine bloße Ungezogenheit sein, aber man ist verpflichtet, der Sache nachzugehen. Man darf sich nicht durch Schwindler und Narren den Blick verwirren lassen. Es könnte eine neue Kunstrichtung – zum Beispiel: der Expressionismus – lauter Betrüger und Impotente zu Vertretern haben und dabei doch einen neuen Abschnitt in der Entwicklung des menschlichen Sehens bedeuten. Soweit Egon Friedell. Das Modell der Empörung, des Aufruhrs aufgrund von Taktlosigkeiten bildete aber nicht der Expressionismus, sondern schon vorher die Auseinandersetzung um die impressionistische Malerei. So schrieb Édouard Manet 1865 seinem Freund Charles Baudelaire: „Die Beleidigungen prasseln wie Hagelkörner auf mich nieder“. Bereits im Salon von 1863 erregte Manets Frühstück im Freien besonderen Spott. Wieso erkannte niemand, dass dieses Bild und die späteren Werke des Impressionismus, begründete? Wenn die Stars der Impressionisten gezeigt werden, dann sind wir alle begeistert und vor allem gescheiter als der größte Teil der Besucher des Salons von 1863 und 1865. » weiter lesen