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Matthias Drobinski
Lob des Fatalismus
Claudius 2018
In einem Sporthotel fand ich den Spruch an der Wand: Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren. Dort hatte man den Spruch, der vermutlich aus der Spontibewegung stammt, Brecht zugeschrieben. Brecht hatte ein Faible fürs Boxen, ich bin mir allerdings nicht sicher, ob hier nicht doch der politische Kampf gemeint war.
Sicher aber ist, dass man diesen Satz auch gegen den Fatalismus gerichtet verstehen kann. Gegen die Haltung, dass man allen Widerstand aufgibt, weil man mit großer Wahrscheinlichkeit verlieren wird. Drobinski aber unterscheidet hier hilfreich, und darin ist sein Essay ein wirklicher guter Ratgeber, zwischen dem Reden und Tun. Zu oft ersetzt das Reden das Tun, vor allem und gerade dann, wenn man eigentlich gar nichts mehr tun kann.
Drobinski führt den im Gefängnis einsitzenden Spion Rudolf Abel an, der gefragt wird, ob er sich denn keine Sorgen mache. Seine Antwort: Würde es denn helfen? Was auch immer dieser Spion damit meinte, es ist die Haltung, die Drobinski überzeugt.
Wir müssen wieder lernen, jedenfalls verstehe ich Drobinski so, in der Einsicht der Sachverhalte diese durch Reden nicht zu vergrößern. Man könnte das auch auf die mediale Vergrößerung anwenden. Da sind wir gewiss längst an dem Punkt, dass sie nur noch mediale und keine wirklichen Sachverhalte mehr sind. Nicht ohne Pfiff sind darum auch Drobinski Erläuterungen zur Flüchtlingskrise, deren jetziger Stand längst ein ganz anderer ist, als der medial und privat diskutierte Stand der Dinge.
Im Gegenteil, der medial vielfach gespiegelte, die tausendfach geteilte Mitteilung über die Welt verändert uns selbst und gerade nicht die Wirklichkeit. Drobinski schreibt: Der Banker mit bestem Einkommen, abbezahltem Haus in guter Lage und rundum sicherer Altersvorsorge, der sich trotzdem sorgt, dass er seinen Kindern nichts vererben wird. Dazu jener Leserbriefschreiber, der ankündigt, sich eine Pistole zulegen zu wollen aus Angst vor Einbrechern.
Wenn im Alten Testament der Baalskult geschildert wird, dann kann man darin die Anbetung der Macht, der Stärke und des Erfolgs erkennen. Ein Kult, der sich vor aller Unbill zu sichern weiß, indem er den Tod feiert und in den Tod geht. Dagegen ist das Christentum, so wie Drobinski es versteht, gerade da stark, wo es verusichert: Wer nicht alles Verunsichernde, Beängstigende und Irritierende aus seinem Glauben verbannt und sich einem ewig fraglosen Kinderglauben hingibt, muss diese Verunsicherung akzeptieren.
Im Bild des gescheiterten Gottes findet nach Drobinski auch der Fatalismus seinen Ausdruck. Ein Aushalten zwischen Schicksalsergebung und Schicksalsermächtigung, ein Aushalten, das darauf verzichtet, sich mit den Umständen gemein zu machen, das darauf verzichtet, sie durch wiederholte Klage gleichsam festzuschreiben. Drobinski hat eine absolut brauchbare intellektuelle Haltungsübung für unsere Zeit geschrieben.