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Der Flusskrieg

Winston S. Churchill
Kreuzzug gegen das Reich des Mahdi
Eichborn 2008

Nun muss man Sachbücher, die es ohnehin nicht leicht haben, auch noch – einfach weil man sie gelesen hat – gegen ihre eigenen Titel verteidigen. Das lohnt sich bei Churchills wunderbarem Buch, denn die hier notwendigerweise vorgenommene Richtigstellung erkärt die Betrachtungsweise Churchills am besten. Churchill schreibt an einer Stelle: „Der General, der militärische Operationen plant, der Staatsmann, der schwerwiegende Entscheidungen fällt, und der Leser, der den Fortgang und die Resultate von beidem zu begreifen wünscht, hat sich über den Nil Gedanken zu machen. Er ist das Leben der Landstriche, durch die er fließt. Er ist der Kriegsgrund und das Mittel, mit dem wir kämpfen, und auch das Kriegsziel, das unser Handeln bestimmt. Auf jeder Seite des Buchs hat unsere Vorstellungskraft den Lauf des Flusses nachzuzeichnen. Bei jedem Gefecht glitzert er zwischen den Palmen. (…) Ohne den Fluß hätte sich keiner auf den Weg gemacht. Keiner wäre ohne ihn weitergekommen und keiner ohne ihn zurückgekehrt“

Keinem, außer einem deutschen – nebenbei verehrten – Verlag gelingt es, ein Buch so sehr gegen den Autor und Geist der Publikation zu titeln. Aber nicht nur der Kampf um Ressourcen, hier dem Wasser, bildet die eigentliche Grundlage der Perspektive Churchills, der sein Buch darum im Haupttitel The River War nannte, auch mit dem „Kreuzzug“ im deutschen Titel und mit dem Verlagstext auf dem Schuber, wird das Buch geradezu verkehrt. Dahinter mag der Versuch stecken, eine Veröffentlichung über Längstvergangenes mit aktuellen Fragen aufzufrischen. Als traue man dem Buch nicht. Dabei hätten die aktuellen Fragen zu Dafur und die politischen Fragen zum Sudan als interessante Bezugsgröße absolut ausgereicht. Statt dessen schreibt man auf dem Schuber: „Im Aufstand des Mahdi zeigt der Islam erstmals das moderne Gesicht einer radikalen politischen Kraft: des militanten Fundamentalismus, wie wir ihn heute zu kennen glauben.“

Churchill schreibt genau gegen diese Behauptung: „So wurde freiweg behauptet – und von manchen Zeitgenossen wird das noch immer geglaubt -, der Aufstand im Sudan sei zur Gänze eine religiöse Angelegenheit gewesen. Wenn die ärgsten Unwahrheiten diejenigen sind, an denen ein Schein von Wahrheit ist, dann ist diese Ansicht in der Tat grundfalsch. Dagegen könnte es durchaus als historische Tatsache gelten, daß keine Revolte einer großen Volksmasse jemals ausschließlich oder auch nur hauptsächlich durch religiösen Eifer ausgelöst worden ist.“ So hätte es doch absolut ausgereicht, wenn man schon ein Buch, das hier nun erstmals auf Deutsch vorliegt, aufzufrischen trachtete, es in Bezug zu setzten zu den von vielen neueren Sachbüchern beschriebenen Folgen des Klimawandels, zu dem auch der Krieg um das Wasser gehört. Das Bild vom religösen Eiferer aber, auf das der knapp vierundzwanzig Jahre alte Chrurchill sich weigert hereinzufallen, besitzt bis heute einen paradoxen „Schein von Wahrheit“ in der „ärgsten Unwahrheit“, dessen man sich offensichtlich bis heute nicht zu entschlagen weiß.