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Christiane Laudage
Das Geschäft mit der Sünde. Ablass und Ablasswesen im Mittelalter
Herder 2016
In der erinnerten Geschichte werden enorme Zeiträume und komplexe Geschehnisse häufig in einem Augenblick zusammen gefasst. Zumeist wird dieser weltgeschichtliche Augenblick, der zunächst Teil des Geschehens war, zum Ursprung einer ganzen Epochenwende. Als solcher erscheint uns heute der Thesenanschlag Martin Luthers im Jahre 1517 wie ein buchstäblicher Startschuss in die Neuzeit.
Und die unzähligen Thesen Luthers werden zusammengeschmolzen auf die eine, dass das Ablasswesen, vor allem wie es der Dominikaner Johann Tetzel betrieb, des Teufels sei. So geraten eine Handlung und eine These ins Zentrum der erinnerten Geschichte, die sich nun einmal anhand solcher Wendepunkte und Zuspitzungen besser erzählen und besser merken lässt.
Aus Anlass des Reformationsjubiläums beschreibt Christiane Laudage nun die längere und komplexere Version des Ablasswesens vom Mittelalter bis Luther. Dabei gelingt es ihr, das Ablasswesen als eine allgemein anerkannte soziale Praxis zu beschreiben, die ziemlich bald nach ihrer Erfindung um das Jahr 1000 in Südfrankreich von Theologen wie Abaelard als Missbrauch des Bußnachlasses kritisiert wurde.
Laudage zeigt aber auch, dass dieses mittelalterliche Croudfunding es ermöglichte, nicht allein Kirchen zu bauen oder die Geistlichkeit fett zu machen, sondern auch half, Hospitäler zu erbauen und zu erhalten. Und auch andere infrastrukturelle Bauprojekte konnten mittels Ablasswesen initiiert und finanziert werden: Straßen, Brücken und Dämme.
Schließlich verband sich das Seligkeitsunternehmen Kirche auch mit den Kriegsunternehmern der Kreuzügler, die über das Ablasswesen zusammenkamen. Ein wenig so wie die vertrackte Zusammenarbeit der Welthungerhilfe mit Warlords.