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Der diskrete Charme der Diktatur

 

 

Wolfgang Hirn
Shenzhen
Die Weltwirtschaft von morgen
Campus 2020

Unzählige Politikerdelegationen tourten durch das Silicon Valley, um danach den Daheimgebliebenen mit leuchtenden Augen zu erzählen, was dort alles abgeht. Hirn wechselt nicht ohne Grund in eine sich jugendlich und freudig überrascht gebende Sprache des Managements. Gelegentlich hörte man auch in der Buchbranche Beurteilungen der Entwicklung, die der Begrifflichkeit eines Amüsierbetriebs entstammten: spannend.

Die Damen und Herren sollten mal die Richtung wechseln, schlägt Hirn vor. Er beschreibt die Millionenstadt Shenzhen, nicht weit von Hongkong, als Gründerstadt, als Digitalstadt, als Smart City, als elektromobile Stadt, als Wissenschaftsstadt und als Stadt einer zukünftigen Machtkonzentration.

Hirns Einstieg in sein lesenswertes Buch zeigt auch, dass dem Blickwechsel ein Stabwechsel vorausging. Es ist vor allem die Künstliche Intelligenz, gezüchtet in Kalifornien, die in China eine neues und erweitertes Verbreitungsgebiet findet. Bedenken ihr gegenüber, die vor allem in Europa geäußert werden, wirken nun vollends hilflos.

Pony Ma ist Gründer von Tencent. Er mag Teams. Darum hat er sie bei der Entwicklung des Instant-Messenger-Dienstes WeChat zwei Teams gegeneinander antreten lassen. Er lässt sie, schreibt Hirn, – das hat er sich von Microsoft abgeschaut – um die besten Ideen wetteifern. Was sich hier noch so systemklug als Übernahmeleistung ausnimmt, zeigt doch auch zugleich: die Unternehmen agieren längst wie Diktaturen.

Dabei scheinen sie noch nur der westlichen Idee des Wettbewerbs gegenüber charmant aufgeschlossen. Längst zeigt dieser aber agonale Züge, einfach, weil er an keiner Stelle moralische Schranken erkennen lässt.