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Des tiefen Eindrucks mangelnder Ausdruck: Empörung

Günter Wallraff
Aus der schönen neuen Welt
Expeditionen ins Landesinnere
Kiepenheuer & Witsch 2009

„Und wenn der Mensch in seiner Qual verstummt,
Gab mir ein Gott zu sagen, wie ich leide.“
So Goethe im Tasso. Und wenn der Mensch in seiner Qual verstummt, gab Gott ihm Wallraff. So noch im legendären Buch „Ganz unten“ von 1985. Wenn aber eine Methode eine Vorgehensweise ist, die sich ihrem Gegenstand anpasst, dann hat Wallraff sie für sein neues Buch genau verfehlt.

Denn erscheinen nicht längst die Berichte der schikanierten Kassiererinnen und Sekretärinnen von ihnen selbst verfasst? Manchmal werden sie mit Hilfe eines Journalisten geschrieben, wie bei den von Fernsehproduktionsfirmen ausgebeuteten Teilnehmern von Castingshows oder die Berichte über die mal kriminellen und mal politischen Karrieren der Migranten in Deutschland. „Wallraffa“, wie die Schweden sagen, wäre dorthin zu gehen, wo die Kreise sich dem Einblick verschließen oder nicht zu Sprache zu bringen vermögen, wie ihnen geschieht.

Diese Voraussetzung nicht allein fehlt bei Wallraffs neuem Buch, wie schon an vielen anderen Stellen festgestellt wurde, schlimmer ist, dass Wallraff sprachlich nicht in der Lage scheint, in seinen Reportagen irgendetwas anderes auszudrücken als Empörung. Ihm fehlen im Grunde alle sprachlichen Mittel der Darstellung und Analyse. Vielleicht erschienen Wallraff aber Stilmittel als Verrat an der guten Sache?

Wer wie Wallraff glaubt, dass er nur unmittelbar einen Eindruck gewinnen kann, der muss über die Hilfsmittel verfügen, die ihm diesen Eindruck verschaffen. Bedauerlich nicht nur für die Leser, dass er dann meint, beim Ausdruck auf alle sprachlichen Darstellungsmittel verzichten zu können.