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Die Stadt der Esel


Le Corbusier
Städtebau.
DVA 2015

Im Jahr 1925 erschien Le Corbusiers Urbanisme, das 1929 in deutscher Übersetzung von Hans Hildebrandt bei der Deutschen Verlagsanstalt veröffentlicht wurde. Nun ist es in einer Faksimile-Wiedergabe nochmals aufgelegt worden.

Le Corbusier (1887 – 1965) wird mit diesem Buch ein enormer oder, wie es in der Sprache der Architekten heißen müsste, „bahnbrechender“ Einfluss auf moderne Stadtplaner unterstellt. Dieser wird zu einem guten Teil auch darauf zurückzuführen sein, dass Le Corbusier seine Überlegungen in einem zupackenden und expressionisten Stil vorlegt. Seine Argumentation ist allerdings an vielen Stellen abenteuerlich.

Der krumme Weg wird von ihm als der Weg des Esels charakterisiert, der sich immer den einfachsten Pfad durch unwegsames Gelände suche. Eine ebenso einflussreiche wie unsinnige Polemik, sucht sich doch auch der Wanderer, der bei Verstand ist, nicht den geraden Weg über Stock und Stein. Genau dies aber behauptet Le Corbusier.

Im Bildmaterial nicht anders. Ein Nomadenlager wird gezeigt. Darunter eine mittelalterliche Stadt mit dem Text: „Der Nomade hat Wurzeln gefaßt (es entstand dieser Flecken, ein Gipfel des Entzückens für diese Städtebauer!)“ Darunter das Bild einer modernen Stadt mit Hochhäusern. Der Text dazu: „Wir sind keine Nomaden mehr und müssen Städte bauen“.

Im pathetisch „Bestätigungen, Anregungen, Mahnungen“ überschriebenen letzten Kapitel dann noch eine an Fritz Kahn (zur Besprechung des Buches über Fritz Kahn hier) erinnernde biomorphe Analogie: der Transport der Nährstoffe vom Dünndarm zum Herzen gleiche dem städtischen Transport vom motorischen Zentrum über Umschlagbahnhöfe zum Verbrauch.

Der 50. Todestag Le Corbusier ist Anlass, dieses Buch wieder lieferbar zu machen. Le Corbusier, der die bürgerliche Stadt, die durch Bevölkerungsexplosion und Verkehrsdichte zu ersticken drohte, durch die funktionale Stadt zu ersetzen trachtete, muss gelesen werde. Wer liest, stimmt nicht zu, sondern ab. Wolfgang Pehnt schreibt im Vorwort zu dieser Neuausgabe: „Wir können uns angesichts der offen gelegten Alternativen miteinander verständigen, was wir wollen. Und was wir nicht wollen.“

Inzwischen hat sich die Stadt an vielen Stellen zur postmodernen Stadt gewandelt. Und sie verändert sich gerade weiter zur digital vernetzten Stadt, die sich ihre eigene, von der Wirklichkeit der Stadt unabhängige, Wirklichkeit schafft. Einer Geisterstadt, in der nicht ist, was nicht digital abgebildet ist. Einer Stadt, in der Bewegung und Denken ein ebenso seltenes wie luxuriöses Selbstgefühl bedeuten, das nur ist, wenn es nicht digital ist. Eine neue Stadt der Esel.