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Christoph Poschenrieder
Das Sandkorn
Roman
Diogenes 2014
Jacob Tolmeyn ist promovierter Kunsthistoriker in Rom am Vorabend des Ersten Weltkriegs. Zusammen mit Beat Imboden ist er beauftragt, die unteritalienischen Provinzen, vor allem aber Apulien, kunsthistorisch zu erfassen.
Als Opfer einer Erpressung verschwindet Tolmeyn aus Berlin. Erpressung ist auf der Grundlage des Paragrafs 175, der Homosexualität unter Strafe stellte, keine Seltenheit. Einer der stadtbekannten Erpresser, der auch Freundlinge genannten Homosexuellen, verunglückt in Berlin unter fragwürdigen Umständen.
Tomeyn ist an diesem Unglück nicht ganz unschuldig. Als er später zurück nach Berlin kommt und sich auffällig verhält, wird er verhaftet und verhört. Das Verhör findet durch einen weithin bekannten Ermittler in Fällen von Erpressung statt, dessen Erinnerungen an das Verhör von Tolmeyn in den Roman einmontiert sind.
Poschenrieder ist das Kunststück gelungen, einen faszinierenden Roman mit mehreren kulturpolitischen, geschichtspolitischen und geschlechtspolitischen Ebenen zugleich zu schreiben, Ebenen, die er ebenso voneinander abzuheben wie zu spiegeln vermag.
Der besondere Reiz dieses Romans ist, dass der Held eigentlich ein Rätsel für uns bleibt wie für diesen sein Begleiter Beat Imboden, ehemaliger Gardist der Schweizer Garde. Ein Rätsel wie die von ihm erforschte Zeit, in der das Castel del Monte in Apulien entstand und wie die entfachte Kriegskultur im fernen Deutschland.
„Wissen Sie,“ sagt er in der Vernehmung einmal, „dass jedes Sandkorn ein Gesicht hat?“ Der Kommissar kann nicht anders, als eine Augenbraue hochzuziehen. „Dass kein Sandkorn dem anderen gleich?“