// 2016

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Alte Sicherheit gegen Neue Rechte

AAA Kursbuch xlKursbuch 186.
Rechts. Ausgrabungen
Murmann 2016

An der Einstellung zur Flüchtlingspolitik sind in Deutschland einige Bekanntschaften und Freundschaften zerbrochen. Im Freundeskeis und in der Verwandtschaft werden halb lächelnd, halb ernst Meinungen zur „Flut“ und „Landplage“ geäußert, die zunächst als unpassend, später als etwas widerlich und schließlich als nicht hinnehmbar empfunden werden. Dem offenen Bruch weicht man aber aus.

Denn zugleich wird deutlich, dass die eigenen Argumente einfach nicht ausreichen. Ohnhin einer länger dauernden politischen Debatte entwöhnt, ist man schnell verzagt und unsicher. Da kommt uns im neuen Kursbuch ein von Armin Nassehi ausgegrabener Text von John Stuart Mill zu Hilfe.

Der Text von Mill ist eigentlich ein Leserbrief zu einem Text über die Sklaverei von Thomas Carlyle, durch den im Übrigen die freundschaftliche Beziehung Mills zu Carlyle endete. Carlyle unterstellt den Gegnern der Sklaverei vor allem eins: Gefühle.

Gefühle, die den überlegenen Verstand ersetzen, den man zur Erkenntnis der harten Realität nun einmal braucht. Carlyle unterstellt diesen Träumern, sich die „Abschaffung des Leids“ vorgenommen zu haben. Nicht anders werden die Teilnehmer der Willkommenskultur im letzten Jahr belächelt.

„Er versteht“, so Mill über Carlyle, „die große nationale Erhebung des Gewissens dieses Landes gegen Sklaverei und Sklavenhandel völlig falsch, wenn er annimmt, sie sei eine Frage des Gefühls gewesen.“

Es passt zugleich, dass Mill die Instrumente der Analyse bei Carlyle vermisst, ja ihre Geringschätzung konstatiert. „Durch analytische Untersuchung haben wir alles gelernt, was wir über die Gesetze der äußeren Natur wissen; und wenn er (Carlyle) es nicht verschmäht hätte, dieselbe Untersuchungsmethode auf die Gesetze der Bildung des Charakters anzuwenden, wäre er dem gewöhnlichen Irrtum entgangen, jeden Unterschied, den er zwischen Menschen findet, einem ursprünglichen Unterschied ihrer Natur zuzuschreiben.“

Es ist also ein Irrtum dieser angeblich so realitätsnahen und harten Analytiker, dass man Flüchtlingen aus bloßer Gefühlsduselei helfe. Zugleich sind sie zu außenpolitischer Analyse weder gewillt, noch so recht in der Lage. Sie enthielte zumindest einen Blick auf die Wirtschaftspolitik der EU in Afrika und einen Blick auf die innenpolitischen Wirkungen von Elendsquartieren an den Außengrenzen. Dass damit nicht zugleich alles Elend abgeschafft sei, lässt eben auch nicht den Schluss zu, dass es deshalb zu akzeptieren sei.

„Eine Vereinigung zu weltumfassenden Abschaffung des Leids mag als Zielscheibe für eine sarkastische Bemerkung herhalten, aber kann man ein Ziel nennen, das der Bemühung mehr wert wäre als das der Verminderung des Leids?“