// 2021

// Bücher

Als Helfen noch geholfen hat

 

 

Amy Waldman
Das ferne Feuer. Roman
Schöffling 2021

Amy Waldman hat mit ihrem Roman ein Buch über unsere Illusionen geschrieben – unsere Illusionen als Leser. Ihre Heldin Parvin Schams ist auf den Spuren des Bestsellerautors Gideon Crane in Afghanistan. Es empört sie, dass Crane offensichtlich die Unwahrheit geschrieben hat.

„Aber das Gehirn will Ordnung, es will Logik, und es tut, was immer nötig ist, um Ereignissen Sinn zu verleihen.“

Parvin Schams wird in die Lebensgeschichten des abgeschiedenen Dorfes verstrickt, eines Dorfes, das durch die Segnungen zunächst von Gideon Crane, dann der amerikanischen Armee völlig verändert wird. In der Sprache, die dort gesprochen wird, Dari, das Parvin Schams, als gebürtige Afghanin und in Amerika ausgebildete Anthropologin fließend spricht, gibt es das Wort dorogh, das sowohl Erzählung als auch Lüge bedeuten kann.

Dass der Krieg nur Unheil stiftet, ist gewiss, aber dass Helfen immer hilft, ist nach der Lektüre dieses Buches keineswegs ausgemacht.
 

// Bücher

Denen die Zukunft entgegen kommt

 

 

Tove Ditlevsen
Kindheit
Aufbau Verlag 2021

Jugend
Aufbau Verlag 2021

Abhängigkeit
Aufbau Verlag 2021

Nach der Lektüre dieses Buches erscheint es unbegreiflich, dass von den drei Bänden der Kopenhagener Trilogie nur der letzte Band, Abhängigkeit, ins Deutsche übersetzt wurde.

Aber das kennzeichnet zugleich die Klassiker, ihnen kommt die Zukunft entgegen, bis sie wieder zeitgemäß sind.

So auch hier, denn Tove Ditlevsen schreibt im Genre des autofiktionalen Erzählens, im Genre des Memoirs. Autorinnen wie Sigrid Nunez und Arnie Ernaux haben es gerade wieder populär gemacht.

Hörprobe aus Kindheit:

Hörprobe aus Jugend:

Hörprobe aus Abhängigkeit:

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Wer schreibt die Ost-Biografie?

 

 

 

Alexander Osang
Fast hell
Aufbau Verlag 2021

„Ich habe immer mal diese Momente von Klarheit, Hoffnung und der plötzlichen Gewissheit, die große Geschichte in einer einfachen Parabel erzählen zu können,“ schreibt Alexander Osang. Osang begegnet Uwe. Er erzählt Alexander Osang bei einer gemeinsamen Reise aus seinem Leben, in dem es kaum eine Begebenheit gibt, die nicht mit bekannten Daten und Orten der Geschichte der letzten vierzig Jahre in Verbindung steht. „Uwes Leben klingt wie ein Broadway-Musical.“

Der Spiegel, für den Osang regelmäßig arbeitet, bringt diese Geschichte nicht – alles nicht so einfach nachzuweisen. Osang meint aber: „Soweit ich das sagen konnte, stimmte alles, und doch erschien Uwe auch mir jetzt eher wie ein Romancharakter. Kein grauer Ostbürger. Niemand, den man sich in einem Nachrichtenmagazin vorstellen konnte.“

Die Kontrolle über die Biografie eines Ostdeutschen liegt immer noch nicht da, wo sie hingehört.

Hörprobe: