// 2012

// Bücher

Weltmacht Islam

Tom Holland
Im Schatten des Schwertes
Mohammed und die Entstehung des arabischen Weltreichs
Klett-Cotta 2012

Tom Holland ist ein Historiker, der mit Persischem Feuer und Millenium Werke vorgelegt hat, die sich ganz ihrem Stoff hingeben – und ihren Lesern. Der Stoff schreckt ihn nicht, gerade dürftige Quellenlagen sind Holland Herausforderung genug verstehen zu wollen. Seinen Lesern bietet er immer wieder kleine anachronistische Wendungen und Bemerkungen, die seinen Texten die notwendige Würze verleihen.

Mit seinem neuen Buch über die Jahrhunderte der Entstehung des arabischen Weltreichs im 7. Jahrhundert schließt er zugleich eine Lücke in der Chronologie seiner bisherigen Veröffentlichungen. Eine Losung, die erstmals 685 oder 686 auf einer Münze geprägt wurde, ist es, die nach Holland eine „ungeheure Durchschlagskraft“ entfaltet. Eine bloß militärisch herbeigeführte Einigung hält nur solange die Klammer der Waffengewalt hält, sie bedarf der Verbindung mit Gott. Die Botschaft lautete: „Bismallah Muhammad rasul Allah“ – „Im Namen Gottes, Mohammed ist der Bote Gottes“.

// Bücher

Da war was

Douwe Draaisma
Das Buch des Vergessens
Warum Träume so schnell verloren gehen und
Erinnerungen sich ständig verändern
Galiani 2012

Bei bestimmten Sachen, dem Dreisatz beispielsweise, weiß man noch ganz genau, wer ihn erklärt hat. Da ist das Wissen im autobiografischen Gedächtnis aufbewahrt. Die allermeisten Informationen aber werden, wenn überhaupt, im semantischen Gedächtnis abgespeichert. Wissen ist in der Regel keine Erinnerung.

Wenn man vermeiden möchte, dass die eigene Idee, die man im Kollegenkreis erläutert, ins bloß semantische Gedächtnis abwandert, also, wie man bei Draaisma lernt, der Kryptomnesie zum Opfer fällt, dann lasse man sich etwas einfallen, das die Idee in einen ungewöhnlichen Kontext stellt: auf den Tisch hauen, sich die Haare raufen, den Sitznachbarn kneifen.

Draaismas Bücher sind so randvoll wunderbarer Beobachtungen. Wie schon in Geist auf Abwegen von 2008 und die Heimwehfabrik von 2009 ist auch dieses Buch von einer nahezu klassischen Abgeklärtheit. Den Beobachtungen zum Phänomen des Vergessens stellt er Erläuterungen an die Seite, wie man zur Probe etwas ans Licht hält, aber erst einmal beiseite legt, um es vielleicht später noch einmal zur Hand zu nehmen.

Selten will Draaisma etwas beweisen. Aus den historisch gewordenen Erklärungen der Psychologiegeschichte, für die er an der Universität Groningen einen Lehrstuhl hat, weiß er mit großer Gelassenheit zu berichten. Vielleicht weil er weiß, wieviel wir wieder vergessen?

Um Kryptomnesie zu vermeiden, kann man sich dieses Buch kaufen und an den Stellen, von denen man sicherstellen möchte, dass man sich erinnert, sie von Draaisma zu haben, ein Eselsohr machen.

// Bücher

Der Garten, der uns hervorbringt

Horst Bredekamp
Leibniz und die Revolution der Gartenkunst
Herrenhausen, Versailles und die Philosophie der Blätter
Wagenbach 2012

Schon seit Jahren gibt Wagenbach besonders fein gestaltete großformatige kulturwissenschaftliche Essays heraus. Eine Lust am Buch, die sich sofort sinnlich mitteilt. In Horst Bredekamp hat der Verlag einen Autor, der die Reihe wesentlich lebendig hält.

In seinem neuen Buch beschreibt Horst Bredekamp die Gartenkunst in zwei Richtungen. Einerseits als das was, man damit ausdrücken möchte: Ruhe und Ordnung in wild wuchernder Natur. Andererseits als das , was sie in uns auslösen mag: Beruhigung und Harmonie. Die gängige Unterscheidung von disziplinierendem Barockgarten und die Blicke frei gebenden Landschaftsgarten hält Bredekamp aus dem historisch überlieferten Material nicht zu belegen.

So findet er in Leibniz‘ Briefen und Notizen zum Großen Herrenhausener Garten Belege für einige die Landschaftgärtnerei vorwegnehmende Überlegungen. Und von der von Leibniz mitgestalteten Gartenanlage selbst sieht er einen Einfluss ausgehen, in dem der Raum die Philosophie mit hervorbrachte. Ein Garten, der den, der ihn anlegt, mit hervorbringt.