// 2013

// Bücher

Am Schwarm

Byung-Chul Han
Im Schwarm
Ansichten des Digitalen
Matthes & Seitz 2013

Byung-Chul Hans Büchlein ist ein gutes Gegengift gegen das, was er so treffend den „Messianismus der Vernetzung“ nennt. Das Buch enthält zahlreiche Erläuterungen zur Digitalkultur, die fast alles aufschließen, was man wissen muß:

„Medien wie Blogs, Twitter oder Facebook“, schreibt Han schön paradox, „entmediatisieren die Kommunikation.“ Damit sei Repräsentation von der Sucht abgelöst, stets selbst präsent zu sein. Diese entpolitisierende Wirkung der Digitalkultur ist politisch, insofern sie sich selbst außer Gefecht setzt. Denn „Überwachung und Kontrolle“ sind nach Han „ein inhärenterTeil der digitalen Kommunikation.“

Byung-Chul Han unterrichtet Philosophie. Wenn er Turnlehrer wäre, hätte er andere Texte zitiert, so aber gibt es Hegel, Schmitt, Flusser, Barthes, Heidegger, Foucault, Sartre, Lacan, Arendt, Hardt & Negri, Le Bon, Benjamin, McLuhan. Man hat aber kaum das Gefühl, dass diese Texte mit der Digitalkultur wirklich etwas zu tun haben, was aber auch kaum verwunderlich ist.

Dagegen kommen der Schwarm oder die Bosse der digitalen Konzerne an keiner Stelle zu Wort. So schreibt Han im Grunde weniger im als am Schwarm. Dieses Defizit des Buches wird gerade in den letzten Abschnitten deutlich, wo Han mehr ein populäres Sachbuch schreibt, sich aber den notwendigen und grundlegenden Angaben, die dieses Genre sonst so bietet, als Philosoph überhoben weiß.

Es ist die Rede von vielen Spezifika der Digitalkultur, z. B. Kommentar, Profil, shitstorm. Genauer bestimmt oder erläutert wird das alles aber nicht, als wäre irgendwie schon klar, was gemeint ist, wenn zum Beispiel von Google Glass oder Smartphones die Rede ist. Auch global agierende Firmen wie Twitter und Facebook werden sorglos angeführt, als wäre jedem bewusst, wo sie ihren Sitz haben und wie man ihre Vermögenswerte einzuschätzen hätte.

Gleichwohl bietet Han einen Fundus an Formulierungen in Oppositionen, die ein ausgezeichnet belastbares Gerüst für eine ausufernde Diskussion zur Digitalkultur ergeben: „Die Information ist kumulativ und additiv, während die Wahrheit exklusiv und selektiv ist.“ Damit lässt sich ein ganzer Abend bestreiten. Gleichwohl sind einige Wendungen bloße Wiedergänger einer Kulturkritik, die Kathrin Passig zuletzt als „Standardsituationen der Technologiekritik“ beschrieben hat.

An einer Stelle schreibt Han: „Unternehmen wie Facebook und Google arbeiten selbst wie Geheimdienste.“ Vermutlich war es die NSA, die einen gewissen Mark Zuckerberg ansprach, dass seine Dienstleistung für kontaktgestörte Studenten eine tolle Sache sei und dass man ihm, wenn er daraus etwas machen wolle, weder Gesetze noch irgendwelche Auflagen in den Weg stellen würde.

// Bücher

Chinas Kulturrevolution aus der Kinderperspektive

Zhao Jie
Kleiner Phönix. Eine Kindheit unter Mao
Karl Blessing 2013

Hier zur Besprechung bei Deutschlandradio Kultur.

// Bücher

Kunst in Siegen


Nicole Zepter
Kunst hassen
Eine enttäuschte Liebe
Tropen 2013

Schlimmeres als in Siegen oder Hamm, Mönchengladbach oder Herford im Museum zu landen, kann der Kunst nicht passieren. Oder doch: in einem Katalog besprochen zu werden. Hier vor allem ist Kunst immer Kunst. Aber auch in Frankfurt und Köln – im Katalog sowieso.

Das möchte man mal erleben, es kommt einer in die Ausstellung und ruft: „Wie scheiße ist das denn?“ Oder ein Handzettel im Museumsladen, auf dem steht: „Es gibt keinen Katalog zur Ausstellung. Die Werke von NN waren einfach nicht gut genug.“

Oder, wenn schon der Katalog unbedingt sein muss, den Hinweis des Kurators: „Die Bilder in den oberen Räumen sind so schlecht, es lohnt nicht auf sie einzugehen.“ Oder die Leute, die einem im Aufzug begegnen und sich trauen, vor den langweiligen Sachen im Obergeschoss zu warnen. Würde man ihnen Glauben schenken? Oder nach oben eilen und den Schwurbel anstieren, bis einer heult?

Was es bei jedem Fußballspiel gibt, gibt es in der Kunst nicht. Endlich gibts dafür immerhin Nicole Zepters Buch. Gebunden in das Sackleinen, bei dem, wenn man drauf haut, man zweifellos immer den richtigen trifft. – In dieser Buchbesprechung muss einer was loswerden: alle genannten Museen habe ich aufgesucht.