Herfried Münkler
Die Deutschen und ihre Mythen
Rowohlt Berlin 2009
Der Preis der Leipziger Buchmesse 2009 geht an Herfried Münkler für das Buch „Die Deutschen und ihre Mythen“, erschienen bei Rowohlt Berlin. Münkler bringt alle zwei bis drei Jahre ein ebenso gut lesbares wie im Zugriff innovatives historisches Werk hervor. Mal überwiegt bei ihm der wissenschaftliche Neuansatz, wie in „Die neuen Kriege“ von 2002, mal wie im preisgekrönten Mythenbuch die großen Erzählungen. Herfried Münkler schildert in seinem Buch die Nationalmythen der Nibelungen und des Doktor Faust, die ultramontanen Kampfmythen von Arminius und Luther, den Mythos Preußen, die mythischen Burgen und schließlich einige wenige politische Mythen nach 1945. In allen Abschnitten aber wird die Wirkungsgeschichte, die Geschichte des Aufnehmens, Ergänzens und Verwandelns der Mythen erzählt, so reichen alle Kapitel weit über den Zeitraum der Entstehungszeit der Mythen hinaus, eben so weit, wie ihr Leben in Politik, Kunst und Literatur nachweisbar ist. Gleich im Einleitungskapitel konstatiert Münkler allerdings nüchtern, dass uns die Mythen im Grunde nichts mehr sagen. Er führt dies auf die Veränderung der medialen Systeme – denn Mythen bewegen sich im Medium der Kunst und Literatur – und auf den Schwund des Bildungsbürgertums zurück, der wichtigsten Sparer auf dieses Konto politischer Erzählungen. Diesen Verfall des symbolischen Kapitals stellt er, darin ist Münkler ganz er selbst, klar und klaglos fest.
Wilhelm von Sternburg
Joseph Roth
Kiepenheuer & Witsch 2009
In Gustav Kiepenheuer, einem der wichtigsten Verleger der Weimarer Republik, fand Joseph Roth den Verleger seines Werks, bis heute. So folgt mancher Verlagskontinuität auch eine Werkkontinuität, von der man nicht immer weiß, ob letztere auch dann gelungen wäre, wenn der Verlag nicht bis heute wirtschaftlich überlebt hätte. Wilhelm von Sternburg ist eine sprachlich solide und darum hervorragend lesbare Biografie gelungen. An keiner Stelle ist er um die historische Einordnung dieses wenig gerade verlaufenden Lebens des Schriftstellers Joseph Roth verlegen. Sternburg hat es an keiner Stelle nötig, die Eigentümlichkeiten in Roths politischen Auffassungen zu beschönigen oder gar als unwesentlich hintenan zu stellen. Auch den Suff, dem sich Roth mit suizidaler Konsequenz ergab, kann Wilhelm von Sternburg – wie es vielleicht ein Germanist getan hätte – sich nicht entschließen zu überhöhen. Sternburg ist Journalist und dankenswerter Weise auch ein Biograf des Journalisten Joseph Roth.
Ralf-Peter Märtin, Die Varus-Schlacht (S. Fischer)
in der Kategorie erzählendes Sachbuch, Geschichte
Erstaunlich, was Märtin aus einigen rostigen Kupfermünzen, die irgendwo südlich von Osnabrück im Jahre 9 im Schlachtgetümmel verloren gegangen sind, macht.
Markus Bennemann, Im Fadenkreuz des Schützenfischs (Eichborn)
in der Kategorie erzählendes Sachbuch, Naturwissenschaft
Ein Buch, das in allen Teilen gut unterhält, weil es gut erzählt ist. Nebenbei: ein großartiges Buch über Tiere, das Markus Bennemann da gelungen ist.
Henrik Müller, Die sieben Knappheiten (Campus)
in der Kategorie erzählendes Sachbuch, Zeitgeschichte
Die Grundidee des Buches, unsere Gegenwart einmal nicht nach den politischen Blöcken aufzuteilen und ebenso wenig im Strudel der Globalisierung alles gleichgültig werden zu lassen, sondern nach der Liste der knappen Ressourcen darzustellen, ist bestechend und ersetzt zahlreiche Einzelveröffentlichungen.
Maja Nielsen: Jane Goodall und Dian Fossey (Gerstenberg)
in der Kategorie Jugendsachbuch
Ein wunderbares Sachbuch über Jane Godall und Dian Fossey von Maja Nielsen. Nicht nur, aber ideal für Mädchen.
Christiane Hoffmann, Hinter den Schleiern Irans (Dumont)
in der Kategorie Reportage
Klar, wahr und schön erzählt Christiane Hoffmann in ihrem Buch, jenseits der zahllosen Debattenbücher, die viele Meinungen aber keine Anschauungen enthalten.
Julia Friedrichs, Gestatten Elite (Hoffmann und Campe)
in der Kategorie Thesenbuch
Bildungs- und Elitendiskussion in gut geschriebenen Reportagen von Julia Friedrichs geschickt zusammengeführt.
Reiner Stach, Kafka. Die Jahre der Erkenntnis (S. Fischer)
in der Kategorie Biografie
Auch im zweiten Band seiner auf drei Bänden angelegten Biografie ist bei Reiner Stach das Material glänzend in Literatur aufgegangen.
Martin Mosebach, Stadt der wilden Hunde (Hanser)
in der Kategorie Reisebuch
Nirgends lässt sich gemächlicher Konservativismus besser genießen als in Mosebachs Reisebuch, ein Genre, das sich sonst so gern schnell gibt.
Alex Capus, Himmelsstürmer. Zwölf Portraits (Knaus)
in der Kategorie kurze Prosa
Nicht der besondere Stoff macht dieses Buch aus, sondern die Sprache. Und die macht dann was daraus. So wie bei Alex Capus sollte es immer sein.
Kathrin Passig, Sascha Lobo: Dinge geregelt kriegen ohne einen Funken Selbstdisziplin (Rowohlt)
in der Kategorie Ratgeber
Der Ratgeber, der arme Hund des Sachbuchs, wird hier von der Literatur rechts überholt.
Jury: Michael Schikowski
Zu den besten deutschsprachigen Sachbüchern des Jahres 2014, des Jahres 2013, des Jahres 2012, des Jahres 2011, des Jahres 2010, des Jahres 2009 .