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Der Trend als Wille und Vorstellung – Buchmesse 2008

Der Trend ist eine Vorstellung, der wir alle mit großer Leidenschaft anhängen. Um die eiligen Leser nicht allzu sehr auf die Folter zu spannen, nenne ich gleich vorneweg als die wichtigsten Trends im Sachbuch: Gehirn, Varusschlacht, 1968, Russland, Sex, Arbeit, Evolution, 1900, Reisen, Migration, Glück. Die schon länger erscheinenden Bücher zu den Themen: Klima, Asien und Wissen/Bildung lasse ich hier schon mal weg.

Manchmal ist der Trend kaum mehr als die Beobachtung einer Häufung. Trends im Buchhandel vermitteln sich über eine Liste von Büchern, die zu einem Thema zur selben Zeit erschienen sind. Insofern ist der Trend eine Vorstellung oder genauer Ordnungsvorstellung. Diese Häufung wird gelegentlich als der Trend selbst ausgegeben. Das wäre dann eine sehr bescheidene Form eines Trends. » weiter lesen

Der Ursprung des Aufklebers


Adam Hochschild
Sprengt die Ketten. Der entscheidende Kampf um die Abschaffung der Sklaverei
Klett-Cotta 2007

Haben Sie schon einmal eine Unterschrift geleistet, gar ein Plakat geklebt oder einen Aufkleber auf eine nicht dafür vorgesehene Fläche, einem Polizeiauto beispielsweise, aufgeklebt? Wenn ja, kann ich Ihnen verraten, dass Sie in diesem Buch den Ursprung und Anfang, die Keimzelle aller dieser zivilbürgerlichen Unmutsbekundungen finden. Jeder kennt die Grundrisse eines Sklavenschiffs. Sie wurden eine Ikone der Empörung, mit der das Komitee der Abolitionisten die Wände Londons beflasterten.

Die überwältigende Geschichte

Orlando Figes,
Die Flüsterer. Leben in Stalins Russland.
Berlin 2008

Vor über 20 Jahren erschien von Anatoli Rybakow der auch heute noch beeindruckende Roman Die Kinder vom Arbat. Der Erfolg dieses Romans, wie vielleicht überhaupt der fiktionalen Erzählliteratur, hängt vermutlich auch damit zusammen, dass die Historiker sich vor allem der Politik, der Ideologie, dem Kollektiv gewidmet haben, und daher das Einzelschicksal, an dem man erst wirklich begreift, was vor sich geht in Russland, in fiktionaler Literatur geschildert wird. Der ungeheure innere Monolog Stalins am Ende von Rybakows Zyklus, dem auch unbewältigte Einarbeitung historischen Materials vorgeworfen wurde, kommt auf die überindividuellen Themen der professionellen Historiker zurück. Da im kommunistischen Russland die Soziologie verboten war, hielt man sich weiterhin an die Romane, die in Frankreich in den großen Zyklen von Zola und Balzac einmal die Vorläufer der neu entstehenden Wissenschaft Soziologie bildeten.
Mit Orlando Figes Buch ist nun auch die professionelle Geschichte, Kempowskis kollektivem Tagebuch vergleichbar, wieder dorthin zurückgekehrt, wo sie bewältigt werden muss, bei den einzelnen Menschen. Die Familien Simonow und Laskin, Buschujew und Golowin, Fursej-German und Golownja-Babizki, Konstantinow und Nisowzew-Karpizkaja, Slawin und Delibasch-Liberman werden in diesem Buch in ihren Schicksalen, Meinungen und Handlungen geschildert, als Objekte der Politik und Ideologie und schließlich eines Kollektivs, das sie alle auch überwältigt.